Bildungsforschung PISA und andere Studien Klaus Feldmann 1
Bildungsforschung (PISA und andere Studien) Klaus Feldmann 1
Schule und Kapital Wer hat, dem wird gegeben! • Die Schule, vor allem das Gymnasium begünstigt Kinder aus Familien mit überdurchschnittlichem ökonomischen und kulturellen Kapital. 2
„Um jedem Einzelnen die Chance der besten individuellen Förderung zu ermöglichen, wollen wir im Anschluss an die vierjährige Grundschule ein BEGABUNGSGERECHTES SCHULWESEN mit profilierten Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. “ Christian Wulff (2003) Ministerpräsident von Niedersachsen 3
Charakteristika der Schulorganisation: • Provinzialismus • Zielferne durch Überbürokratisierung • Strukturelle Mängel der Personalauswahl und –nutzung • Unprofessionelles Management 4
Entwicklung des Bildungswesens nach 1945 Restauration „Bildungskatastrophe I“ Soziale Bewegungen Expansion Kampf um die Gesamtschule Stagnation/Restauration PISA: „Bildungskatastrophe II“ Schrumpfung 5
Bildungsarmut • Funktionaler Analphabetismus • Basiskompetenzen unzureichend entwickelt • Teilhabechancen verringert • Zertifikatsmangel (z. B. kein Hauptschulabschluss) 56 6
Obere Dienstklasse Facharbeiter Gymnasium Realschule Hauptschule Benachteil. Migranten Gymnasium Realschule Haupt- + Sonderschule 7
Hauptschule - Gymnasium • Ist in den Gymnasien die Welt in Ordnung, aber nicht in den Hauptschulen? 8
Gymnasium • Zu teuer • Veraltete Unterrichtsorganisation • Veralteter Lehrplan (Entrümpelung erforderlich) • brain drain 9
Gesamtschule oder Gymnasium? Finnland, das sowohl bei PISA 2000 als auch bei PISA 2003 die besten Ergebnisse erbracht hat, verfügt über eine neunklassige Gesamtschule ohne äußere oder innere Leistungsdifferenzierung. 10
PISA = „Programme for International Student Assessment“ von der OECD ab dem Jahr 2000 durchgeführt Aufgabe: regelmäßige Erfolgsmessungen der Bildungssysteme (2003, 2006. . ) Bereiche • Lesekompetenz • Mathematische Grundbildung • Naturwissenschaftliche Grundbildung • Fächerübergreifende Kompetenzen Population: 15 -jährige 11
1 2 Finnland 34 A 67 89 10 D 12 13 14 Griechenland Portugal Luxemburg PISA 2000 • 14 EU-Staaten haben teilgenommen Lesekompetenz 12
1 2 Finnland 34 56 78 D A 11 13 14 15 PISA 2003 • 15 EU-Staaten haben teilgenommen 12 Portugal Italien Griechenland Lesekompetenz 13
PISA 2003 D wurde in der Lesekompetenz außerdem noch von folg. europ. Nicht-EUStaaten übertroffen: Norwegen, Schweiz, Polen. 14
PISA- Hauptergebnisse • Im Bereich der sehr guten Schüler schneidet D durchschnittlich ab, im Bereich der sehr schlechten Schüler ist D Spitze!! 15
D NL 60 Punkte mehr für „die unten“! 16
PISA- Hauptergebnisse 10 - 15 % Berufs- und Lebensbenachteiligung 17
Pfadmodell Lesekompetenz (Pisa) Muttersprache Schulform Kultur. Kapital Lesekompetenz Soz. Schicht Abweichung Geschlecht Baumert et al. 2001, 501 Freude am Lesen 18
PISA- Lesen • 57 % der 15 -jährigen deutschen Jungen lesen NICHT gern! (Mädchen 32 %) 19
PISA • Vorurteil: Man kann nicht alles haben. Was wollen WIR (wer? )? Gleichheit ODER hohe Leistung (Elite). 20
Gleichheit oder Leistung? Hohe Leistung Niedrige Leistung Gleichheit* Kanada, Finnland, Schweden Italien, Spanien Ungleichheit* Flamen, Großbritannien D, A, Ungarn, Portugal OECD 2001, 191 f; OECD 2002, 107 -Konsortium 2004, 249 *Sozialer Gradient PISA 21
PISA- Hauptergebnisse • Deutschland ist Spitzenreiter der EU in sozialer Ungleichheit !!! Unterschichtund Migrantenkinder werden benachteiligt. 22
Pisa - Bundesländer Warum schneiden Bayern und Baden-Württemberg national überdurchschnittlich ab? Ökonomisch u. sozial starke Länder Creaming N-D O-D BRAIN DRAIN* S-D *Intelligenz von Rekruten 23
Pisa – Bundesländer D • Ist Bayern ein Vorbild für die anderen Bundesländer? Nein: • zu geringe Abiturientenrate • Zementierung sozialer Ungleichheit • Dreigliedriges Schulsystem Besseres Vorbild: • Schweden und Finnland 24
Unterricht außerhalb der Schule Dass die Schulen in Finnland und Schweden besser als in anderen EU-Ländern sind, lässt sich auch an dem Anteil des Unterrichts außerhalb der Schule erkennen. 25
Unterricht außerhalb der Schule in % Finnland Schweden England Deutschland Frankreich Spanien 2, 4 3, 3 15, 8 17, 1 19, 5 40, 7 Quelle: Deutsches PISA-Konsortium 2001, 417. 26
Grundlegende Kritik an PISA 1 • Funktionalistisches Verständnis von Bildung als Kompetenz • Ökonomisierung von Bildung • Standardisierung • Globalisierung 27
Grundlegende Kritik an PISA 2 • Reduktionismus (enger Kompetenzbereich)* • Kognitivismus (Vernachlässigung emotionaler u. soz. Ziele) • Produkt- statt Prozessorientierung *siehe nächste Folie 28
P I S A Kompetenzbereiche Les Mat NW Soz Mus Spo Psy Log-math +++ ++ + Sprache +++ + + ++ + Körper-Sprache + ++ +++ Musik +++ Raum + ++ + + ++ Interpersonal + +++ + + Intrapersonal + ++ + Politik + ++ Natur + +++ + 29
Kritik an der Reaktion auf PISA • PISA wurde zum Medienund Politikspektakel • PISA wird zur Legitimation für neue Kontrollstrategien verwendet 30
IGLU * An der Spitze Schweden Niederlande England Unter D Frankreich Griechenland Irland * Internat. Studie 2000: 4. Klasse (Grund- bzw. Volksschule) 31
IGLU + PISA • Ergeben sich aus IGLU + PISA Handlungsanregungen? • Ja: Die Argumente gegen die frühzeitige Selektion und gegen das zwei-, drei- bzw. mehrgliedrige Schulsystem werden verstärkt. 32
IGLU + PISA • Ergeben sich aus IGLU + PISA weitere Handlungsanregungen? • Ja: Der Unterricht ab der 5. Schulstufe ist nicht state of the art, d. h. er ist häufig minderwertig – vor allem für die Leistungsschwachen! 33
Schulklima Deutschland liegt bezüglich des Schulklimas (Befragungen von Schülern und Schulleitern) im unteren Drittel der OECD-Staaten (OECD 2002). Deutsche Schüler sind viel unzufriedener mit der Schule als finnische Schüler. 34
Lehrerqualität 1 PISA zeigte, dass die meisten Lehrer. Innen falsche Diagnosen über die Kompetenzen der leistungsschwachen Schüler. Innen erstellen. (Deutsches PISAKonsortium 2001, 120) 35
Lehrerqualität 2 In der Untersuchung PISA 2003 hat ein signifikant höherer Anteil der deutschen und österreichischen im Vergleich zu schwedischen und australischen Schüler. Innen Mängel in der Unterstützung durch Lehrer. Innen genannt (PISAKonsortium Deutschland 2004, 300). 36
Im Land der Dichter und Denker In der PISA-Untersuchung 2000 erreichte Deutschland einen Spitzenwert in der Nicht-Nutzung der Schulbibliothek durch Schüler. Innen (73 %). [1] Auch bezüglich der Nutzung von Computern in Schulen erwies sich Deutschland als unterdurchschnittlich. [1] Zum Vergleich: Schweden 15 %; Kanada 19 %. 37
Öffentliche Bildungsausgaben in % des BIP Staaten überdurchschnittlich Norwegen, Schweden, A, Dänemark, Finnland unterdurchschnittlich D, Spanien, Italien OECD 2002, 199 38
Ausgaben pro Schüler im Primarbereich Staaten überdurchschnittlich unterdurchschnittlich OECD 2002, 199 Norwegen, A Schweden, Dänemark, D, Spanien, UK 39
Bildungsökonomie D unterscheidet sich von Schweden und Finnland, die den finanziellen Schwerpunkt auf die Vor- und Grundschuljahre setzen, D auf Gymnasium und Hochschule. 40
41 IGLU-Studie
Civic Education Study • Politisches Wissen und politische Einstellungen (Fremdenfeindlichkeit) • 14 bis 15 -jährige • 9 EU-Staaten haben teilgenommen. • D liegt an 9. Stelle. 42
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Schule hat Lernfreude kaputt gemacht! 44
Literaturhinweise und Erläuterungen in: Feldmann, K. 2005. Erziehungswissenschaft im Aufbruch. Wiesbaden, VS Verlag. Feldmann, K. 2006. Soziologie kompakt. 4. Aufl. Wiesbaden, VS Verlag. 45
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