Bilaterale Handelsabkommen Chance oder Risiko fr Entwicklungslnder EUHandelspolitik
Bilaterale Handelsabkommen – Chance oder Risiko für Entwicklungsländer? EU-Handelspolitik im Spannungsfeld von Multilateralismus und Bilateralismus
Gliederung 1. Einführung: Freihandel und Entwicklung 2. Überblick: Positionen von EU und Entwicklungsländern und WTO-Verhandlungen 3. Alternative Bilateralismus? 4. Bilaterale Abkommen der EU mit dem Mercosur und den AKP-Staaten 5. Handel und Entwicklung zwischen Multi- und Bilateralismus 2
Einführung: Freihandel 1/3 Die herrschende Meinung: Freihandel ist der Schlüssel zu globalem Wohlstand und daher die beste Entwicklungsstrategie. Die politische Umsetzung: Liberalisierung auf regionaler Ebene (z. B. EU), in der Welthandelsorganisation (WTO) und in bilateralen Handelsabkommen - auch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern 3
Einführung: Freihandel 2/3 Die Einschränkung: Freihandel hilft meist nur den ökonomisch Starken • Historische Erfahrung: Jetzt entwickelte Länder sind durch Protektionismus und aktive Industriepolitik groß geworden • Diese Entwicklungsinstrumente werden armen Ländern heute oft verweigert („Kicking away the Ladder“) 4
Einführung: Freihandel 3/3 Umfang moderner „Freihandelsabkommen“ § Warenhandel § Agrarpolitik § Handel mit Dienstleistungen § Patentschutz § Investitionsschutz § Öffentliche Beschaffung § Wettbewerbsrecht § Handelserleichternde Maßnahmen 5
Welthandelslandschaft: Was will die EU? Warenhandel weitgehende Marktöffnung der Industrieländer, aber auch Zugeständnisse fortgeschrittener Entwicklungsländer Dienstleistungen offensives Interesse an der Marktöffnung anderer WTOMitglieder Aufnahme neuer Themen Investitionen, Wettbewerb, öffentliche Beschaffung, Handelserleichterung = Singapur-Themen / WTO-plus Landwirtschaft Schutz der eigenen subventionierten Landwirtschaft 6
Welthandelslandschaft: Was wollen die Entwicklungsländer? G 21 § Koalition der Entwicklungs- und Schwellenländer (Brasilien, China, Indien. . . ) § Zentrales Interesse Agrarexport • Abbau der Agrarsubventionen im Norden • Marktöffnung der Industrieländer G 90 = AKP + AU + LDC § § Keine weitere eigene Marktöffnung Freier Zugang zu Märkten der entwickelten Länder Verzicht auf Singapur-Themen Entschädigung der Präferenzinhaber 7
Arena WTO Die WTO - ein multilaterales Forum • 147 Mitgliedstaaten = 90 Prozent des Welthandels • Regelwerk: Abkommen zu Warenhandel (GATT), Dienstleistungen (GATS), geistigem Eigentum (TRIPS) • Streitschlichter bei Vertragsverstößen • Kritik der Entwicklungsländer: Intransparenz und mangelhafte Teilhabe im Verhandlungsprozess 8
Die Doha-Handelsrunde der WTO • Start einer neuen Runde 2001 in Doha/Katar • Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún 2003 • Rahmenabkommen für weitere Verhandlungen im Juli 2004 • Schwierige Konsensfindung durch Streit über Marktzugang für Industrie- und Agrarprodukte und Agrarsubventionen • Die umstrittenen Themen Investitionen, öffentliche Beschaffung und Wettbewerb wurden von der Agenda gestrichen 9
Alternative Bilateralismus? USA nach Cancun Spaltung zwischen „Cando“ und „Won‘t-Do“: „Die USA werden nicht warten: Wir werden mit den Can-Do Ländern Richtung Freihandel voranschreiten. “ USTR Robert Zoellick in Financial Times Deutschland, 22. 9. 2004 EU nach Cancun „Die WTO ist eine mittelalterliche Organisation. Man kann Diskussionen zwischen 146 Mitgliedstaaten nicht so strukturieren und steuern, dass sie zum Konsens führen. “ EU-Handelskommissar Pascal Lamy Pressekonferenz am 14. 9. . 2004 in Cancún 10
Was sind Regionale Handelsabkommen? Definition WTO-Konformität • Vereinbarungen zwischen Ländern, die keine weitergehende Integration anstreben • Präferenzabkommen, die Mitgliedern bevorzugten Marktzugang zusichern und Nicht-Mitglieder diskriminieren • Geregelt in Art. XXIV GATT • Gruppe von Ländern, zwischen denen die gegenseitigen Beschränkungen für annähernd den gesamten Handel innerhalb von 10 Jahren beseitigt werden • Nicht-Mitglieder dürfen nicht schlechter gestellt werden 11
Übersicht: Regionale Handelsabkommen von 1948 bis 2003 Quelle: WTO-Sekretariat: The Changing Landscape of RTAS, November 2003 12
Übersicht EU-Abkommen Handelsabkommen der EU mit Ländern des Südens Klassische Assoziierungsund Koopperationsabkommen Malta (1970) Türkei (1963) Zypern (1972) Ägypten (1977) Algerien (1976) Jordanien (1977) Libanon (1977) Syrien (1977) Handels- und Assoziierungsabkommen der 2. Generation Ägypten (2001) Algerien (2002, in Ratifizierung) Israel (2000) Jordanien (2002) Libanon (2002) Marokko (2000) Palästinensische Autonomiebehörde (1997) Tunesien (1998) AKP-Staaten (Rahmenabkommen, 2000) Südafrika (2000) Mexiko (2000) Chile (2002, in Ratifizierung) 13
Laufende Verhandlungen der EU Staatengruppe (Verhandlungsstart) Verhandlungsziel Geplanter Abschluss AKP-Staaten (2002) WPA 2007 Golfrat (1990) FTA 2004? Mercosur (2000) FTA 2004 Mittelmeeranrainer (1995) Syrien (1998) FTA 2010 EMAA 2004 WPA = Wirtschaftspartnerschaftsabkommen; FTA = Freihandelsabkommen; EMAA = Euro-Mediterranes Assoziierungsabkommen 14
EU-Außenhandelsstrategie Handelspolitische Strategie der EU „Aufbauend auf das multilaterale Handelssystem erstreben wir ein WTO-plus Abkommen, gekennzeichnet durch - erstens großen Ehrgeiz in Marktöffnung und Regeln (z. B. Dienstleistungen, Investitionen, geistiges Eigentum) und - zweitens eine interregionale Dimension. “ Lamy in einer Rede vor der (DGAP am 11. Juni 2004) 15
Warum Bilateralismus/Regionalismus? • Effektive Ergänzung zum Multilateralismus „Mehrspurige Autobahn Richtung WTO-plus“ • Wettbewerb EU vs. USA Kampf um Marktanteile in neuen Märkten • Handel als außenpolitisches Instrument Partner durch Handelsabkommen politisch binden 16
Freihandelszone EU-Mercosur 1/2 Freihandelsabkommen EU-Mercosur • Mercosur = Zollunion aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay • Konkurrenz mit US-Projekt der Panamerikanischen Freihandelszone FTAA um Marktzugang in Südamerika • Zäher Verhandlungsprozess seit 1999 • Abschluss für Oktober 2004 geplant • Inhalt: Weitgehende Öffnung des Warenhandels, Regeln zu Agrarprodukten, Regierungskäufen, Dienstleistungen, Investitionen, etc. 17
Freihandelszone EU-Mercosur 2/2 1. Streitpunkt: Der Mercosur fordert besseren Zugang zum EUAgrarmarkt für seine Produkte (Zucker, Rindfleisch, etc. ) 2. Streitpunkt: EU will Zugang zu öffentlicher Beschaffung, verschiedenen Dienstleistungssektoren und Investitionen EU-Strategie Konzessionen an Erfolg der WTO-Runde binden: „Half now, half later“ Folge Gefahr der Spaltung der G 21 in der WTO, deren Wortführer Brasilien ist 18
EU-AKP: Cotonou-Abkommen Cotonou-Rahmenabkommen (2000) • Partnerschaftsabkommen mit den Staaten Afrikas, der Karibik, des Pazifiks (AKP) • Ziel: „. . . im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und der schrittweisen Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft die Armut einzudämmen und schließlich zu besiegen“ (Art. 1) Handelspolitische Dimension • Bisher galten Handelspräferenzen für AKP-Produkte • Neue Handelsregelung: Regionale „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (WPA) bis 2008 19
EU-AKP: Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Handelspolitische Prinzipien • Gegenseitigkeit: und WTO-Konformität = Beseitigung der Handelshemmnisse auf beiden Seiten für nahezu den gesamten Handel • Regionale Integration = regionale AKP-Staatengruppen bilden Freihandelszonen und verhandeln als Block • Sonderbehandlung für LDC = Die LDC dürfen den freien Zugang zum EU Markt auch ohne Abkommen behalten 20
Handel und Entwicklung – die Sicht der EU WPAs als Entwicklungsinstrumente • Ziel: nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung in den AKP-Staaten • Mittel: Integration in die Weltwirtschaft durch EU-AKPFreihandel und regionale Integration sowie Unterstützungszahlungen und Übergangsfristen zum Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit Darum sehen die WPAs vor: • Freier Warenhandel • Marktzugang für Dienstleistungen • Regeln für Investitionen, Handelserleichterung, öffentliche Beschaffung (Singapur-Themen) 21
Handel und Entwicklung – die Sicht der Zivilgesellschaft Die Problematik der WPAs • Freihandelszonen setzen AKP-Staaten dem vernichtenden Wettbewerb der EU aus • Mit der Öffnung für EU-Importe kommen auf die AKPStaaten enorme Anpassungskosten zu • Einnahmeverluste der Staaten bedeuten eine schwere Beeinträchtigung der staatlichen Handlungsfähigkeit • Selbst die ärmsten AKP-Länder werden gezwungen sein, ihre Märkte für die EU zu öffnen • Die unterschiedslose Öffnung der AKPVolkswirtschaften gefährdet regionale Integration in den AKP-Staaten 22
Fazit 1/3: Multilateralismus und Bilateralismus im Spannungsfeld Bilateralismus verstärkt die Konzentration von Macht in den Handelsbeziehungen: • Vorteile des multilateralen Systems gefährdet: • WTO-Streitschlichtung nicht anwendbar, • Koalitionsbildung der Entwicklungsländer erschwert • Große Verhandlungsbelastung für Entwicklungsländer • Asymmetrische Verhandlungen (stark gegen schwach) Durchsetzung von WTO-plus Verpflichtungen wird so leichter möglich 23
Fazit 2/3: Nutzen und Kosten bilateraler Handelsabkommen Der volkswirtschaftliche Nutzen gilt als gering, wenn große Industrieländer beteiligt sind • Große Industrieländer haben ohnehin niedrige Zölle, so dass die Wohlfahrtsgewinne insgesamt niedrig bleiben • Für Entwicklungsländer ist eine Freihandelszone mit der EU oder den USA keine Heranführung an den Weltmarkt, sie ist vom Wettbewerb her mit dem Weltmarkt vergleichbar • Süd-Freihandelsabkommen zwischen Ländern mit ähnlichen Bedingungen könnten Entwicklung besser fördern Die Kosten sind ungewiss: Liberalisierung verschärft oft soziale Ungleichheit und Armut 24
Fazit 3/3: Kernforderungen aus entwicklungspolitischer Sicht • Keine überstürzte Handelsliberalisierung in den schwächeren Volkswirtschaften des Südens • Schwerpunkt in Nord-Süd-Handelsabkommen muss auf der Entwicklungszusammenarbeit liegen • Darum mehr Flexibilität in WTO-Regeln, um entwicklungsorientierte Abkommen zu ermöglichen Die EU-Handelspolitik zu bilateralen und regionalen Abkommen mit Ländern des Südens muss diese Forderungen erst noch erfüllen. 25
Mehr Informationen • EU DG Handel - www. europa. eu. int/comm/trade • WTO - www. wto. org • EU-AKP Abkommen - www. epawatch. net • EU-Mercosur Abkommen www. handel-entwicklung-menschenrechte. org • WEED - www. weed-online. org • ICTSD - www. ictsd. org • Third World Network - www. twnside. org. sg • South Centre - www. southcentre. org • Offenes Forum - www. bilaterals. org • BMZ – www. bmz. de • In. Went – www. inwent. org 26
Sich einmischen GERECHTIGKEIT JETZT! - DIE WELTHANDELSKAMPAGNE • Gerechtigkeit Jetzt! ist ein Zusammenschluss verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen, die gemeinsam für mehr Gerechtigkeit im Welthandel eintreten. • http: //www. gerechtigkeit-jetzt. de/ 27
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