Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung Erscheinungsformen Ursachen
Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen Therapeutische Wohngruppe für Menschen mit herausforderndem Verhalten (TWG) / Therapeutische Wohngruppe für Menschen mit autistischem Verhalten (TWG-A) (in Planung) Nachweis der Effizienz von TWG’s: Modellversuch des Landes Baden-Württemberg 2001 November 2010 / D. Borchardt / R. Kern
Grundüberlegungen • Der Zugang zu Gesundheits- und Förderleistungen ist eine zentrale Grundvoraussetzung für Lernen, Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Teilhabe. • Behandlung, Betreuung, Pflege und Förderung in den bestehenden Angeboten (Wohn-, Förder- und Betreuungsgruppen, Arbeitsgruppen) reichen nicht aus. • Behinderungsbedingte Einschränkungen können durch geeignete Rahmenbedingungen in therapeutischen Wohngruppen (TWG) und Therapiegruppen (TG) ausgeglichen werden. • Gemeinde- bzw. wohnortnahe Versorgung / Erhalt gewachsener Sozialstrukturen. Nachhaltige Gesundheitsversorgung, Hilfsmittel • Zusammenarbeit aller Beteiligten: Betroffene, Angehörige, Betreuende, Ärzte, Therapeuten, Kliniken und ambulante Angebote • Voraussetzung für eine Aufnahme in eine TWG oder TG: umfassende Diagnostik (medizinische D. , therapeutische D. , pflegerische D. und Förderdiagnostik). • Grundbestandteil der Betreuung: Überleitung in die nachfolgende Betreuungsform.
Zuordnung von Teilnehmenden zu therapeutischen Wohngruppen und Therapiegruppe Wohnhaus Teilnehmende Therapeutische Wohngruppe Menschen mit herausforderndem Verhalten Heterogen Teilnehmende Therapeutische Wohngruppe Menschen mit Autistischem Verhalten Homogen HM 3 (FR: 1; LK B. -H. : 2) 2 (LK B. -H. ) APO, HAW, HE 1 (FR) 1 (LK B. -H. ) WO 1 (FR) HMA, HJo 2 (FR: 1; LK B. -H. : 1) Therapiegruppe Heterogen (ursprünglich 9 Teilnehmende) Nicht aktuell 2 2 (FR: 1; LK EM: 1) 9 2 1 (LK EM) 1 HU Andere Träger 1 Summe 8 1 4 + Anfragen von Angehörigen 3 Gründe für weggefallene Kandidaten: Stabilisierung Verlegung nach Hause Verlegung in andere Einr. Zf. P EM 14
Beschreibung des herausfordernden Verhaltens (in Anlehnung an R. Krüger, Neurologe) früher: Verhaltensstörung, Problemverhalten, gestörtes oder abnormes Verhalten • aggressive Verhaltensweisen, die sich gegen andere Personen oder Gegenstände richten, die das Zusammenleben oder Zusammensein mit anderen Personen gefährden und die in der bestehenden Wohnumgebung nicht veränderbar sind • autoaggressives, selbstverletzendes Verhalten • starke, plötzlich auftretende Gefühlsausbrüche / Kontrollverlust • intensive, meist lang andauernde Lautäußerungen, wie Schreien, Jammern • extremer sozialer Rückzug • ständige Erregbarkeit, Unruhe und Getriebenheit, damit einhergehend das Nichteinhalten von Absprachen, das Nichtbeachten von gegebenen Regeln • deutliche Auffälligkeiten bei Wasserlassen, Stuhlgang (Kotschmieren, Kotessen, unkontrolliertes Wasserlassen) • „Zwänge“ und Rituale, welche Einbindung in die Tagesstruktur behindern bzw. verhindern und alle belasten
Ziele und Aufgaben einer TWG • In einem abgesprochenen Zeitraum soll herausgefunden werden, ob ein Betroffener mit schwerwiegend herausforderndem Verhalten soweit zu behandeln, zu fördern und zu integrieren ist, dass er wieder in einer Regelgruppe betreut werden kann, oder ob er in der Lage ist, in eine Fördergruppe oder eine Werkstatt für behinderte Menschen zu gehen. Bei Heranwachsenden wäre auch die Frage zu stellen, ob eine schulische Ausbildung noch in Frage kommt. • Voraussetzungen, um den Anforderungen des Betroffenen gerecht zu werden, sind ein entsprechender Lebensraum, ein interdisziplinär ausgerichtetes Mitarbeiterteam sowie ständig erreichbare / vorhandene heilpädagogische, psychologische und psychiatrische Kompetenz, klare und erfahrbare Strukturen für Behandlung und Tagesablauf.
Gesundheit und Lebensqualität als Voraussetzung für Teilhabe (nach Felce / Perry 1997, Seifert 2009) Objektive Einschätzung der Lebensbedingungen Subjektive Einschätzung der persönlichen Zufriedenheit Physisches Wohlbefinden Soziales Wohlbefinden Materielles Wohlbefinden Gesundheit Interaktion / Kontakte Räumlichkeiten Bewegungsspielräume Körperpflege Ernährung Kommunikation Bewegung persönliche Beziehungen Entspannung Problem lösen Schutz vor Verletzungen Soziale Integration Wertschätzung Aktivitätsbezogenes Wohlbefinden Emotionales Wohlbefinden Tagesablauf Selbstwertgefühl Ausstattung der Räume Aktivität Zugehörigkeit Entwicklung Sicherheit und Geborgenheit Eigentum Partizipation Achtung finanzielle Mittel Selbstbestimmung - Wohnen - Arbeit - Freizeit - Bildung - Therapie Partnerschaft und Sexualität bevorzugte Gegenstände Transportmittel Persönliche Werte Lebensqualität psychische Gesundheit
Therapeutische Wohngruppe für Menschen mit herausforderndem Verhalten Psychische / physische Gesundheit Ausschluss von körperlichen Erkrankungen Verstehensdiagnose: - medizinische Befunde - Umgang mit der Erkrankung - biographische Entwicklung - Aufrechterhaltung der Verhaltensprobleme Behandlungs-, Umgangs- und Betreuungskonzept: - Erarbeitung im multidisziplinären Team - Umsetzung / Überprüfung Aufbau von Frustrationstoleranz Abbau von problematischen und/oder aggressiven Verhaltensweisen Förderangebote Bildungsangebote Praktika - Kommunikation - Gestützte Kommunikation - Selbständigkeit - lebenspraktische Fähigkeiten - Alltagsaktivitäten - Wahrnehmung / kognitive Fähigkeiten - Motorik - Arbeitsfähigkeit - Aufnahme von Sozialkontakten - Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer - Erwachsenenbildung in Form von Unterricht, Interessengruppen etc. - Freizeiten / Ausflüge Erlebnispädagogische Angebote (einkaufen, wandern, Boot fahren) - heilpädagogisches Reiten Praktika in Wfb. M, Garten, Reitstall in Einzelbegleitung Arbeits- und Belastungserprobung Arbeit mit Angehörigen - Regelmäßige Elternabende - Elternsprechtage - Elterngespräche - Hospitationsmöglichkeiten - gemeinsame Ausflüge - Hausbesuche
Bausteine für eine Verstehens-Diagnose Kritische Lebensereignisse Was war früher? Wie nimmt er/sie die Situation wahr? (Lebensgeschichte und Anamnese) (subjektive Ereignis. Wahrnehmung) Was geschieht im Umfeld? Was kann die Umgebung leisten? (soziales Umfeld und Kontext) (soziale Ressourcen) „Da ist ein Problem…“ Wer ist beteiligt? (Diagnose eines psychosozialen Problems als Ausdruck gestörter Individuum-Umwelt-Beziehung) (beteiligte Bezugspersonen) Persönliche Stärken (Individuelle Ressourcen und identitätskonstituierende Kompetenzen) Behinderung und/oder psychische Erkrankung konkrete Situation Wie versteht er/sie die Situation? (persönliche Bedeutung der Situation und positive Sichtweise) (biolog. Aspekte Physische Konstitution Disposition) Wie oft tritt die Situation auf? (Häufigkeit und Intensität) Was wird beklagt? (beklagte Verhaltensund Erlebensweise)
Prinzipien der Behandlung autistischer Störungen nach H. Remschmidt Ganzheitlicher Therapie- und Förderansatz (Entwicklungsbezug, Familie) Behandlungs- und Fördermethoden, z. B. Verhaltenstherapie Gestützte Kommunikation Teilsymptome, Zielverhalten (z. B. Selbstverletzung) Wirksame Komponenten, z. B. strukturiertes Vorgehen
Interventionsbedürftige Störungen bei Autismus nach H. Remschmidt • Angst-, Unruhe- und Erregungszustände (z. B. bei Umstellungen, Ortswechsel, Stoffwechselveränderungen) • hartnäckige Schlafstörungen (z. B. häufiges Aufwachen) • aggressives Verhalten (gegen Personen und Sachen) • Selbstverletzungen (z. B. häufiges Beißen) • hartnäckige Zwangssyndrome (z. B. Mittragen von Zeitschriften) • epileptische Anfälle • „psychotische Zustandsbilder“ (körperlich begründbare Psychosen)
Therapeutische Wohngruppe für Menschen mit autistischem Verhalten Psychische / physische Gesundheit Ausschluss von körperlichen Erkrankungen Verstehensdiagnose: - medizinische Befunde - Umgang mit der Erkrankung - biographische Entwicklung - Aufrechterhaltung der Verhaltensprobleme Behandlungs-, Umgangs- und Betreuungskonzept: - Erarbeitung im multidisziplinären Team - Umsetzung / Überprüfung Aufbau von Frustrationstoleranz Abbau von problematischen und/oder aggressiven Verhaltensweisen Förderangebote Bildungsangebote Praktika - Kommunikation - Gestützte Kommunikation - Führen nach Affolter - Selbständigkeit - Persönlichkeitsbildung - lebenspraktische Fähigkeiten - Alltagsaktivitäten - Wahrnehmung / kognitive Fähigkeiten - Motorik - Arbeitsfähigkeit - Aufnahme von Sozialkontakten - Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer - Erwachsenenbildung in Form von Unterricht, Interessengruppen etc. - Freizeiten / Ausflüge Erlebnispädagogische Angebote (einkaufen, wandern, Boot fahren) - Heilpädagogisches Reiten - TEACCH Strukturierung von Raum, Zeit und Handlung) Praktika in Wfb. M, Garten, Reitstall in Einzelbegleitung Arbeits- und Belastungserprobung Arbeit mit Angehörigen - Regelmäßige Elternabende - Elternsprechtage - Elterngespräche - Hospitationsmöglichkeiten - gemeinsame Ausflüge - Hausbesuche
Zielgruppe TWG • Menschen mit geistiger Behinderung und herausfordernden Verhaltensproblemen • heranwachsende und erwachsene Menschen • keine Aufnahme in der Wfb. M (nicht werkstattfähig) • keine Aufnahme in eine Förderstätte TWG-A • Diagnose Autismus • (meist frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Autismus -Spektrum-Syndrome) • heranwachsende und erwachsene Menschen • Hilfebedarf: autismusspezifische Förderung • andere Auffälligkeiten • keine Aufnahme in Wf. B oder Förderstätte
Mitarbeiter (TWG und TWG-A) • Personalschlüssel 1 : 1 (0, 6 bis 1, 3; abhängig vom Hilfebedarf) • Interdisziplinäres Team: - Heilerziehungspfleger - Heilpädagogen - Fachkrankenpfleger Psychiatrie - Ergotherapeuten • Psychiatrischer Fachdienst • Psychologischer Fachdienst • Nachtdienst • in der TWG-A-Gruppe spezielle Ausbildung in Umgangskonzepten für Menschen mit autistischen Verhaltensweisen
Therapeutischer Rahmen Leistungen des Teams: • Klinische Analyse und verstehende Verhaltensanalyse des Syndroms bzw. Problemverhaltens und damit zusammenhängend Entwicklung von Behandlungs- und Förderstrategien • Entwicklung und Durchführung von Krankheitsbewältigungskonzepten im milieutherapeutischen Rahmen • gestalterische / kreative Methoden (z. B. Ergotherapie / Gestaltungstherapie) • Entwicklung und Durchführung integrierter pharmakologischer, psychotherapeutischer und heilpädagogischer Behandlungskonzepte • Maßnahmen zur Krisenintervention (niedrige Schwelle, rechtzeitig und bei Zuspitzung) • tägliche Überprüfung des Vorgehens und Übergabe im Team • bei Entlassung: Entwicklung eines behandlungsorientierten Betreuungs- und Förderplanes • Rückführung in die ursprüngliche Wohngruppe oder Vermittlung in eine angemessene Wohnform
Zusammenarbeit Soziale Dienste Wfb. Ms Psychologischer Dienst Heilerziehungspflegeausbildung Wohnhäuser Tagesgruppen Angehörigeninitiativen Tagesstätten TWG / TWG-A Autismuszentrum Förderzentrum niedergelassene Ärzte Hochschulen für Sozialwesen Integrationsfachdienst berufliche Schulen Kliniken, Psych. Institutsambulanzen
TWG-A: Warum eine spezielle therapeutische Wohngruppe? • Begrenzung von Umgebungsreizen, da Menschen mit autistischem Verhalten überreaktiv auf sensorische Ereignisse reagieren • Verstehen des auffälligen Verhaltens im Kontext der Persönlichkeit (Symptome haben zunächst eine nicht verstehbare subjektive Bedeutung) • mit Auffälligkeiten kann bei einheitlichem Klientel leichter umgegangen werden • Anspruch an die Arbeit ist anders als im „geistig-behinderten“ Bereich • Personal ist in der gleichzeitigen Arbeit mit Menschen mit Autismus und Menschen mit anderen Behinderungen überfordert
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