Armutsverlufe Ausstellung Armut ist ein Mangel an Mitteln

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Armutsverläufe Ausstellung

Armutsverläufe Ausstellung

Armut ist ein Mangel an Mitteln, der Menschen an einer menschenwürdigen Lebensführung hindert. Die

Armut ist ein Mangel an Mitteln, der Menschen an einer menschenwürdigen Lebensführung hindert. Die Sicherstellung der Menschenwürde erfordert mehr, als nur biologisches Überleben, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Die Teilhabe am normalen Leben setzt ein Mindestmaß an Einkommen, Bildung, Gesundheit, Sozialkontakt und Betätigung voraus. Menschenwürde beinhaltet aber noch mehr: ein Recht auf Entscheidungsfreiheit und Selbstachtung. Die Sicherung der Menschenwürde ist menschenrechtlich verbrieft. Arme sind danach keine Bittsteller, sondern Menschen mit bindenden Leistungsansprüchen. Damit einher geht eine gesellschaftliche Pflicht zur Leistungserbringung. Jene, die nicht armutsgefährdet sind, sind verpflichtet, von ihrem Wohlstand abzugeben, um Armut zu mindern. Die Bekämpfung von Armut gehört zu den Grundwerten demokratischer Gesellschaften. Denn Demokratie ist erst dann möglich, wenn alle an ihr teilhaben können – und nicht einige aufgrund Sie entstehen in modernen Gesellschaften fehlender Mittel und Möglichkeiten normalerweise erst dann, wenn Menschen ausgeschlossen sind. über jene „Schlüsselgüter“ verfügen können, die Teilhabe am normalen Mit dieser Ausstellung fordern wir gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Armut abzuschaffen, um eine Diese Güter sind bezogen auf unseren menschenwürdige Lebensführung Lebensstandard z. B. Arbeit, modische für alle zu sichern. Zugleich fordern Kleidung, Telekommunikationsmöglichkeiten und wir zu sozialpolitischem Handeln auf Weiterbildung. gegen Armut und Ausgrenzung auf.

Zur Ausstellung Die Ausstellung porträtiert sechs von Armut betroffene oder an der Armutsgrenze lebende

Zur Ausstellung Die Ausstellung porträtiert sechs von Armut betroffene oder an der Armutsgrenze lebende Haushalte aus Osnabrück. Die Porträts basieren auf umfangreichen Leitfadeninterviews, die im Abstand von fünf Jahren geführt wurden. In der Ausstellung wird dargestellt, wie sich die Lebenssituation der Betroffenen im Verlauf dieser Jahre entwickelt hat. Es wird gezeigt, welche äußeren Bedingungen und individuellen Entscheidungen den Wandel der Lebenslage herbeigeführt haben. Projektgruppe

Biografie eine kurze Lebensgeschicht Holger W. machte nach der Handelsschule eine Lehre zum Werkzeugmacher.

Biografie eine kurze Lebensgeschicht Holger W. machte nach der Handelsschule eine Lehre zum Werkzeugmacher. Über die Kollegen kam er mit verschiedenen Rauschmitteln in Kontakt. Eine fast zehnjährige „Drogenkarriere“ mit Konsum von Alkohol, Heroin, Tabletten, Kokain folgte. Nach zwei misslungenen Ausstiegsversuchen gelang dann 1999 der Einstieg in ein Methadonprogramm. 2001 wurde eine ABM bewilligt. Ein Jahr später verstarb Holger W. , 35 jährig, an den Folgen eines Drogenrückfalls.

2000 lebt Holger W. von 490 € im Monat. Davon bezahlt er seine Wohnung,

2000 lebt Holger W. von 490 € im Monat. Davon bezahlt er seine Wohnung, die Lebensmittel, Kaffee, Tabak und gelegentlich auch ein Bier. Seine sozialen Kontakte pflegt er über den Selbsthilfeverein JES, wobei das Kürzel JES für die Adressaten des Vereins steht: Junkies, Ehemalige, Substituierte. Die Arbeit stabilisiert Holger und schützt ihn vor erneuten Rückfällen. Privat lebt er sehr zurückgezogen, denn seine ehemaligen Freunde und Bekannten entstammen der Szene. Dorthin möchte er nicht zurückkehren. 2000 Methadon, HIV-positiv – mit 33 in der Sackgasse? Holger würde gern seine Wohnung in einen wohnlichen Zustand versetzen. Leider fehlen die finanziellen Mittel, aber es mangelt auch an Kraft und Initiative aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Drogenkonsums. Denn Holger W. ist HIV-positiv und leidet an einer aktiven Hepatitis-C-Infektion. Es bewegen ihn viele Fragen: Wie werden sich die Krankheiten entwickeln? Wie werden die Mitmenschen reagieren, wenn sie von seinen Krankheiten erfahren? Kann er überhaupt noch eine normale Berufstätigkeit ausüben?

Holger W. hat im März 2001 eine befristete Anstellung bei JES begonnen. Im Rahmen

Holger W. hat im März 2001 eine befristete Anstellung bei JES begonnen. Im Rahmen der befristeten Berufstätigkeit hat er sich besonders um die Prävention vor Ort gekümmert. 2005 nach Holgers Tod Er suchte den Kontakt zu Betroffenen, organisierte den Spritzentausch und animierte Menschen erfolgreich, sich an JES zu wenden. Daneben engagierte er sich in verschiedenen Arbeitskreisen zur kommunalen Armutsprävention. Kurz vor dem Ablauf seiner befristeten Beschäftigungsmaßnahme zog sich Holger jedoch zunehmend aus dem Verein zurück und unterbrach auch sein Methadonprogramm. Im Sommer des Jahres 2002 ist er, mit 37 Jahren, an einer Überdosis verstorben.

Fazit Holger W. ist immer wieder dafür eingetreten, dass besonders über die schwierige Lage

Fazit Holger W. ist immer wieder dafür eingetreten, dass besonders über die schwierige Lage von Menschen am Rande der Gesellschaft aufgeklärt werden müsse. Und Holger W. war in einer schwierigen Lage. Deshalb haben wir sein Porträt hier erneut aufgenommen. Wir wissen nicht, was ihn letztlich zum Rückzug aus dem Verein bewogen haben mag, wie sich seine HIV–Erkrankung entwickelte, welche Haltung Holger hierzu schließlich selbst gefunden hat. Deshalb bleibt dieses Porträt ohne klares, abschließendes Fazit. Es beschreibt die sehr schwierige Lebenslage eines Menschen in unserer Gesellschaft.

Biografie bescheidener Lebenskünstle Gerd O. , 72 absolvierte nach der Realschule eine Ausbildung im

Biografie bescheidener Lebenskünstle Gerd O. , 72 absolvierte nach der Realschule eine Ausbildung im Molkereifach, arbeitete dann mehrere Jahre als Angestellter, war selbstständig im kaufmännischen Bereich. Die Selbstständigkeit scheiterte, mehrjährige Erwerbslosigkeit folgte. So erhält er heute lediglich rund 450 Euro Rente. 1998 verlor Gerd O. seinen Krankenversicherungsschutz, 2002 die Wohnung.

Gerd O. lebt in einem kleinen Apartment ohne Luxus, mit gebrauchten Möbeln eingerichtet. Er

Gerd O. lebt in einem kleinen Apartment ohne Luxus, mit gebrauchten Möbeln eingerichtet. Er bezieht seine Kleidung aus der Kleiderkammer, trifft Freunde und Bekannte ausschließlich privat im örtlichen Arbeitslosenzentrum. Mit dieser bescheidenen Lebensweise ist er sogar vergleichsweise zufrieden. Wichtiger ist für ihn, weiter so rüstig und gesund zu bleiben wie bisher. Gesund bleiben, das muss Gerd O. allerdings auch. Denn er hat keine Krankenversicherung. Mit dem Übergang zur Rente hatte er sich nicht freiwillig weiter versichert, weil sein Einkommen dann deutlich unter die Sozialhilfeschwelle gesunken wäre. Und zum Sozialamt gehen, das wollte Gerd O. nicht. 2000 mit 67 Jahren ohne Krankenversicherung

2005 mit 72 ohne Wohnung Es gab Streit mit der Vermieterin, die kündigte, alle

2005 mit 72 ohne Wohnung Es gab Streit mit der Vermieterin, die kündigte, alle Versuche, eine neue Wohnung zu finden, scheitern. Vermieter haben wenig Interesse, ihre Wohnungen an einen obdachlosen älteren Mann zu vermieten. So lebt Gerd O. heute auf der Straße; sein bevorzugtes Nachtlager ist ein großer Waschsalon. „Immer noch besser, als in einer der städtischen Notunterkünfte untergebracht zu sein“, meint Gerd nach Besichtigung einer dieser Unterkünfte. „Dort würde es mir noch schlechter gehen. “

So hat sich Gerd O. zunächst damit arrangiert. Wenn er unterwegs ist, trägt er

So hat sich Gerd O. zunächst damit arrangiert. Wenn er unterwegs ist, trägt er stets seine verbliebene Habe (Rasierer, Zahnbürste, ein wenig Kleidung) in zwei Plastiktüten bei sich. Mitunternimmt er sogar kleine „Pilgerreisen“ ins lokale Umfeld, die er mit seinem Fotoapparat dokumentiert. Die Gesundheit ist weiter stabil, Gewalterfahrungen auf der Straße hat er bisher keine gemacht. Dennoch hofft er, bald eine Wohnung zu finden. Dann könnte er die Grundsicherung für Ältere in Anspruch nehmen und hätte wieder Krankenversicherungsschutz.

Fazit Mit 72 Jahren weder über eine Wohnung noch über eine Krankenversicherung zu verfügen,

Fazit Mit 72 Jahren weder über eine Wohnung noch über eine Krankenversicherung zu verfügen, darf hierzulande niemandem zugemutet werden. Wenn es doch geschieht, verweist dies darauf, wie weitmaschig das vermeintlich „üppige“ soziale Netz geworden ist. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten und ausreichend ausgestattete soziale Hilfseinrichtungen, die bei solchen Problemlagen unterstützend zur Seite stehen.

Biografie 33 Jahre Arbeit, dann Sozialhilfe Christa S. , 70 erhielt wegen des Krieges

Biografie 33 Jahre Arbeit, dann Sozialhilfe Christa S. , 70 erhielt wegen des Krieges keine angemessene Ausbildung. Als Kind arbeitete sie für Lebensmittel beim Bauern. Sie wurde Friseurin, später Fabrikarbeiterin, dann Taxifahrerin und arbeitete schließlich zwanzig Jahre lang als Hauswirtschafterin und in der Krankenpflege. 1985 wurde sie erwerbsunfähig. . Geringe Löhne und vom Arbeitgeber teilweise nicht entrichtete Sozialabgaben bedingen, dass sie nach über 30 Jahren Arbeit keine die Existenz sichernde Rente erhält.

Christa bezieht 612 € Rente und 51 € ergänzende Sozialhilfe. Das reicht schon unter

Christa bezieht 612 € Rente und 51 € ergänzende Sozialhilfe. Das reicht schon unter normalen Umständen kaum für die angemessene Lebensführung einer älteren Frau. Bei Christa kommen jedoch noch zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzu: eine Gehbehinderung, Asthma, starke Neurodermitis, diverse Allergien, mehrere Schlaganfälle. Christa beziffert die hierdurch entstehenden Mehrkosten auf mindestens 150 €. 2000 die Sozialhilfe reicht nicht zum Lebe Vom Sozialamt werden aber gerade mal 61 € an zusätzlicher Beihilfe bewilligt. So muss sie die Mehrkosten noch vom alltäglichen Bedarf einsparen. Christa möchte, dass ihr Mehrbedarf endlich in angemessener Höhe anerkannt wird. Dafür kämpft sie persönlich und auch stellvertretend für andere Menschen. Denn trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist Christa S. seit Jahren ehrenamtlich bei einem gemeinnützigen Sozialhilfeverein engagiert.

2005 Angst vor der Zukunft Christa S. ist immer noch bei der Interessengruppe Sozialhilfe

2005 Angst vor der Zukunft Christa S. ist immer noch bei der Interessengruppe Sozialhilfe (ISOS) tätig. Sie führt Beratungsgespräche, leistet Hilfestellungen für Betroffene – und pflegt über den Verein ihre Sozialkontakte. Wie lange sie allerdings den Weg zu ISOS schafft, weiß sie nicht. Denn die Gehprobleme haben stark zugenommen, der gesamte Gesundheitszustand hat sich weiter verschlechtert. Währenddessen sind die krankheitsbedingten Aufwendungen durch Medikamentenzuzahlungen und Taxifahrten zu Therapien und Anwendungen deutlich gestiegen.

Christa erhält die Grundsicherung für Ältere und damit monatlich 44, 40 € mehr laufende

Christa erhält die Grundsicherung für Ältere und damit monatlich 44, 40 € mehr laufende Leistungen. Doch gibt es jetzt nicht mehr die einmaligen Beihilfen für Bekleidung, Hausrat usw. So hat Christa S. berechnet, dass sie jetzt real noch weniger Geld zur Verfügung hat, als früher. Ein Schock war für sie, als die Krankenkasse kürzlich die Kosten für ein teures, bislang gut verträgliches Medikament nicht mehr übernehmen wollte. Christa wurde auf ein preiswertes Ersatzpräparat umgestellt - und erkrankte infolgedessen schwer. Daraufhin erklärte sich die Krankenkasse zwar bereit, das ursprüngliche Präparat weiter zu bezahlen. Trotzdem hat diese Erfahrung Christa hochgradig verunsichert. „In England erhalten Menschen über 60 schon jetzt keine Dialyse mehr. “, hat sie neulich in der Zeitung gelesen. Für die Zukunft älterer kranker Menschen befürchtet sie Schlimmes.

Fazit Christa ist enttäuscht über den gesellschaftlichen Umgang mit älteren Menschen. Ihre Geschichte zeigt,

Fazit Christa ist enttäuscht über den gesellschaftlichen Umgang mit älteren Menschen. Ihre Geschichte zeigt, dass die Grundsicherung allein nicht ausreicht, um ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Erst recht nicht bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ohne unterstützendes familiäres Umfeld. Zu fordern ist die Anhebung der Grundsicherung auf ein angemessenes Niveau in Kombination mit kommunalen Unterstützungsnetzen für ältere, behinderte Menschen.

Biografie- ohne jede Chance? Franz K. , 39 Denise L. , 33 hat 1989

Biografie- ohne jede Chance? Franz K. , 39 Denise L. , 33 hat 1989 nach der Hauptschule eine Lehre zur Bäckereifachverkäuferin begonnen, wurde aber nach einem Monat ohne Angaben von Gründen gekündigt. Seitdem ist sie arbeitslos, unterbrochen nur einmal durch eine kommunale Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – und die Geburt des Kindes Nico wurde vor kurzem eingeschult. wuchs in einem Heim in München auf. Die nach dem Sonderschulabschluss begonnene Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker musste er krankheitsbedingt aufgeben. Er arbeitete dann als Schausteller, Lagerarbeiter und freier Handelsvertreter, kam so nach Osnabrück, lernte dort Freundin Denise L. kennen. 1999 wurde der gemeinsame Sohn Nico geboren. Nach vier Jahren Arbeitslosigkeit hat Franz K. im Jahr 2003 eine „Ich-AG“ gegründet.

2000 beim Sozialamt Franz, Denise und Nico bekommen Leistungen von der Arbeitsagentur, vom Sozialamt

2000 beim Sozialamt Franz, Denise und Nico bekommen Leistungen von der Arbeitsagentur, vom Sozialamt und der Kindergeldkasse; insgesamt 1. 150 €. Davon muss knapp die Hälfte für die Miete verausgabt werden. Das verbleibende Geld sichert zwar das unmittelbare Überleben – doch nur um den Preis drastischer Einschränkungen bei Ernährung, Kleidung und Freizeitgestaltung. Ausgehen oder gar Urlaub ist nicht erschwinglich. Außerdem belastet die beiden das Gefühl sozialer Ausgrenzung. Sie selbst können zwar mit der geringen Ausstattung umgehen, doch in der Nachbarschaft fällt man auf, wenn man kein Auto hat, immer Zuhause ist, die immer gleiche Kleidung trägt. Frühere „Freunde“ haben sich zurückgezogen, seit Franz und Denise kein Geld mehr für Ausflüge oder zum Ausgehen haben. Dazu kommt: Dauerhaft auf staatliche Hilfen angewiesen zu sein, nagt erheblich am Selbstwertgefühl. Und: Denise und Franz sorgen sie sich um die Zukunft von Sohn Nico. Das Geld für sein neues Dreirad, für Malblock und Stifte konnten sie zwar von der letzten Weihnachtsbeihilfe absparen. Aber es reicht nicht für eine durchgehend gesunde Ernährung, an ökologisches und pädagogisch wertvolles Spielzeug ist überhaupt nicht zu denken. Die Eltern fürchten, dass Nico sich nicht angemessen entwickelt und später in der Schule Probleme bekommt.

Die Idee war gut, doch leider blieb die Nachfrage nach derlei Dienstleistungen so gering,

Die Idee war gut, doch leider blieb die Nachfrage nach derlei Dienstleistungen so gering, dass auch Franz vorübergehend ALG II beantragen musste. Jetzt hat er einen Job bei einer Zeitarbeitsfirma - für 860 € im Monat, auf ein halbes Jahr befristet. . sie sind aber weiter befreundet. Denise ist immer noch arbeitslos und bekommt jetzt Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für Nico. Franz hat zwischenzeitlich eine „Ich. AG“ gegründet. Und zwar einen Einkaufs- und Transportservice für jede Gelegenheit, z. B. für alte Leute, die den Weg zum Supermarkt nicht mehr allein schaffen, für berufstätige Singles, für Menschen, die Hilfe bei Wohnungsentrümpelungen benötigen. 2005 Franz und Denise leben getrennt

Auch Denise hatte zwischenzeitlich eine Arbeit. Mit öffentlichen Mitteln gefördert arbeitete sie ein Jahr

Auch Denise hatte zwischenzeitlich eine Arbeit. Mit öffentlichen Mitteln gefördert arbeitete sie ein Jahr lang bei einem beruflichen Bildungsträger für sozial benachteiligte Jugendliche in der Küche. Dort bekam sie 800 € netto. Zwar zu wenig, um vom darauf folgenden Arbeitslosengeld leben zu können, aber genug, um zumindest einmal für ein Jahr unabhängig von der Arbeitsagentur und vom Sozialamt zu sein. Und sogar genug, um einen Teil der Schulden zurückzuzahlen. Denise hat die Tätigkeit sehr gut gefallen. Ihre Erwartungen, durch die Arbeitspraxis besser einen Job zu finden, haben sich dagegen nicht erfüllt. 2 -3 Bewerbungen schreibt sie die Woche. Sie bewirbt sich als Kassiererin, Aushilfe, Stundenkraft, zum Einpacken, Auspacken, Kommissionieren – jedoch ohne Erfolg. Und mit wenig Unterstützung. Stellenangebote von der Arbeitsagentur kommen nicht, dafür hat sich neulich eine Sperrzeit erhalten. Weil sie wegen Problemen mit ihrem Sohn einen Termin vergessen hatte. Ihr Arbeitsberater hatte sie eingeladen, um mit ihr über ihre „Arbeitsbemühungen" zu sprechen. Einen Tag vor Heiligabend!

Fazit Franz, Denise und Nico kann nicht vorgeworfen werden, dass sie sich zu wenig

Fazit Franz, Denise und Nico kann nicht vorgeworfen werden, dass sie sich zu wenig bemühen oder gar in der Armutssituation verharren wollen. Ihr Beispiel zeigt, dass unsere Gesellschaft für Menschen in bestimmten Lebenslagen keine realistischen Handlungsspielräume mehr bietet. Wirklich hilfreich wäre hier zunächst eine ausreichende, sanktionsfreie wirtschaftliche Absicherung, die Ausweitung von Qualifikationsprogrammen und schlussendlich die Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen, damit auch für Menschen mit formal geringeren Qualifikationen die Teilhabe sichergestellt wird.

Biografie ein kleiner Aufstieg Anne-Marie T. , 47 ist im Heim aufgewachsen. Die Lehre

Biografie ein kleiner Aufstieg Anne-Marie T. , 47 ist im Heim aufgewachsen. Die Lehre zur Köchin musste sie aus Krankheitsgründen abbrechen. Sie lebte lange von Gelegenheitsjobs bis sie starke Alkoholprobleme bekam und ihre Wohnung verlor. Mit dem jetzigen Lebenspartner entkam sie sechs Jahre später diesem harten und gesundheitsschädigenden Leben. Inzwischen hat sie wieder einen regulären Job.

Anne-Marie ist sehr froh darüber, dass sie nicht mehr auf der Straße lebt und

Anne-Marie ist sehr froh darüber, dass sie nicht mehr auf der Straße lebt und ihre Alkoholerkrankung unter Kontrolle hat. Viele ihrer ehemaligen Szenekontakte leben nicht mehr. Anne-Marie bekommt 400 € Arbeitslosengeld. Da sie mit dem Lebenspartner zusammen wohnt, bekommt sie keine ergänzende Sozialhilfe. 2000 nicht mehr auf der Straße Um zu sparen, trägt sie Kleidung aus der Kleiderkammer; Urlaub, Essen gehen usw. sind nicht möglich. Ab und zu läd ihre Tante sie ins Restaurant ein - wofür sich Anne leider nicht revanchieren kann. Anne-Marie will keine Almosen, sondern eine bezahlte Arbeit. Allerdings droht Erwerbsunfähigkeit und eine Rente unter Sozialhilfeniveau.

2005 „Mir geht es inzwischen richtig prima“ Anne-Marie T. säubert 30 Stunden in der

2005 „Mir geht es inzwischen richtig prima“ Anne-Marie T. säubert 30 Stunden in der Woche die Tageswohnung für allein stehende Wohnungslose und bekommt dafür 766 € netto ausgezahlt. Das ist zwar nicht viel Geld, aber sie ist zufrieden. Denn ihr macht die Arbeit Spaß. Sie kann jetzt ihren Lebensunterhalt wieder selbstständig bestreiten. Daneben verkauft sie einmal im Monat gebrauchte Bücher auf dem Antikbüchermarkt. Mit dem Erlös soll eine weitere Stelle im Wohnungslosenheim zumindest mitfinanziert werden.

Der Weg zum neuen Job war schwierig. Die Arbeitsvermittlung wollte sie zunächst nicht unterstützen,

Der Weg zum neuen Job war schwierig. Die Arbeitsvermittlung wollte sie zunächst nicht unterstützen, reguläre Jobangebote gab es nicht und absolute Erwerbslosigkeit drohte. Angesichts dieser Perspektivlosigkeit wäre Anne. Marie fast wieder bei Alkohol und Tabletten angelangt. Aber dann erhielt sie ein künstliches Hüftgelenk und konnte mit Hilfe einer sozialen Einrichtung eine Förderung bei der Arbeitsagentur erreichen. Heute ist Anne-Marie sehr froh darüber, dass es mit dem Job letztlich doch geklappt hat. Sie kann jetzt ihren Lebensunterhalt mit einer sozial sinnvollen Tätigkeit selbstständig bestreiten und sogar noch ein wenig Geld für die Rente zurücklegen. Allerdings ist die Tätigkeit bis zum Frühjahr 2006 befristet. Dann droht alsbald wieder „Hartz IV“, wobei das Einkommen das Partners angerechnet wird.

Fazit Anne-Marie T. hat jetzt einen Job, der ihr Spaß macht, ein bedarfsgerechtes Einkommen

Fazit Anne-Marie T. hat jetzt einen Job, der ihr Spaß macht, ein bedarfsgerechtes Einkommen und ist unabhängig von den Ämtern. Angesichts ihrer Erfahrungen plädiert sie für den Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigungsverhältnisse, statt die Gelder in unsinnige Trainingsmaßnahnahmen zu stecken oder Erwerbslose nur zu fordern, obwohl es doch nicht ausreichend freie und passende Jobs gibt. Man solle lieber in sinnvolle Stellen investieren: „Das würde den Leuten wirklich helfen!“

Biografie allein erziehend -langer Weg zum Job Lore L. , 45 ist als eines

Biografie allein erziehend -langer Weg zum Job Lore L. , 45 ist als eines von sieben Kindern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Nach dem Auszug aus dem Elternhaus jobbte sie längere Zeit, erwarb dann auf dem zweiten Bildungsweg den Hauptschulabschluss, die Realschulreife und den Hochschulzugang und nahm 1993 ein Studium auf. Kurz zuvor wurde Tochter Li (12) geboren. In den Folgejahren erfolgte die Trennung vom Ehemann, die Ausbildung wurde nicht beendet und Lore musste zum Sozialamt. Sie arbeitete in einer Beschäftigungsmaßnahme, machte im Anschluss eine Umschulung und wurde vom ehemaligen Ausbildungsbetrieb übernommen.

Dann holt sie Bildungsabschlüsse nach und nimmt ein Pädagogikstudium auf, Tochter Li wird geboren.

Dann holt sie Bildungsabschlüsse nach und nimmt ein Pädagogikstudium auf, Tochter Li wird geboren. Nun müssen neben dem Studium auch noch der Haushalt und das Leben mit Kind organisiert werden. Der Vater des Kindes ist ebenfalls in der Ausbildung; trotz sparsamster Haushaltsführung kann der Bedarf nicht mehr gedeckt werden. Lore L. beginnt eine Nebentätigkeit, das Studium gerät in Verzug. Die Lage führt zu Spannungen in der Partnerschaft und schließlich erfolgt die Trennung. Als die Ausbildungsförderung wegfällt, bleibt schließlich nur der Weg zum Sozialamt. 2000 Studium – Kind – Scheidung – Sozialamt Lore L. arbeitet in einer kommunalen Beschäftigungsmaßnahme. Für sie ist es das erste Mal, dass sie über ein konstantes, ausreichendes Einkommen verfügt. Bisher musste sie den Unterhalt für sich und Tochter Li vorrangig mit schlecht bezahlten, ungesicherten Tätigkeiten bestreiten. Aufgrund ihrer Herkunft und den Lebensumständen hat Lore in jungen Jahren zunächst keinen Schulabschluss erwerben können. Ihre Bemühungen um einen Ausbildungsplatz bleiben erfolglos und Lore L. lebt von prekären Jobs in der Gastronomie oder im Versicherungsgewerbe - unterbrochen durch Phasen der Erwerbslosigkeit.

Bereits als Lore noch vom Sozialamt lebte, hatten ihr die Vermittler geraten, über eine

Bereits als Lore noch vom Sozialamt lebte, hatten ihr die Vermittler geraten, über eine kommunale Beschäftigungsmaßnahme Leistungsansprüche bei der Agentur zu erwerben, um dann eine geförderte Umschulung zu bekommen. Damit würde sie wieder eine realistische Arbeitsmarktperspektive gewinnen. Lore war dem Vorschlag gefolgt, und die Arbeitsagentur hatte die Umschulung genehmigt. Teilweise wurden auch die Kosten für die Kinderbetreuung übernommen. Lore hat ihre Ausbildung als Raumausstatterin abgeschlossen und arbeitet jetzt als Angestellte im ehemaligen Ausbildungsbetrieb. Das Einkommen aus der Halbtagsbeschäftigung wird durch Kindergeld und Unterhalt für die Tochter Li ergänzt, und so reicht es aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Ausbildung wurde von der Osnabrücker Arbeitsagentur unterstützt. 2005 „Ich binauf einem guten Weg“

Trotz dieser Anstrengungen ist Lore froh, dass es mit der Ausbildung geklappt hat. Denn

Trotz dieser Anstrengungen ist Lore froh, dass es mit der Ausbildung geklappt hat. Denn ohne Ausbildung wäre sie mit ihrer Biografie heute völlig chancenlos am Arbeitsmarkt. Jetzt verfügt sie immerhin über einen interessanten Job und ein geregeltes Einkommen. Die Ausbildung war für Lore nicht leicht. Auch als Alleinerziehende musste sie ganztags arbeiten, auch Freitagnachmittage und Samstage. Und in der Berufsschule musste sie in zwei Jahren lernen, wozu andere drei Jahre Zeit haben. Tochter Li brauchte ebenfalls Unterstützung, bei den Hausaufgaben, bei persönlichen Problemen. Bei alltagspraktischen Problemen konnte Lore immer wieder die Hilfe von Freunden in Anspruch nehmen. Denn während der Ausbildung war sie von morgens halb sieben bis abends zehn mit Arbeit, Haushalt und Kindererziehung beschäftigt. Ein Wermutstropfen bleibt: Ungünstige Arbeitszeiten machen es ihr weiterhin schwer, Arbeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen.

Fazit Lore L. teilt ihre Erfahrungen mit vielen allein erziehenden Frauen. Die Kinderbetreuung schließt

Fazit Lore L. teilt ihre Erfahrungen mit vielen allein erziehenden Frauen. Die Kinderbetreuung schließt das berufliche Engagement über Jahre hinweg aus. Wenn der Partner keinen Unterhalt zahlt, bleibt nur der Weg zum Sozialamt. Und auch wenn die Kinder älter werden ist die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt schwierig, weil es einerseits an Berufserfahrung fehlt, andererseits an den passenden Arbeitsgelegenheiten. Soll Kindererziehung nicht zu dauerhafter Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt und in die Armut führen, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig verbessert werden.

Ein Ziel der Ausstellung „Armutsverläufe“ ist, Impulse für eine gelingende Armutsprävention zu geben. Im

Ein Ziel der Ausstellung „Armutsverläufe“ ist, Impulse für eine gelingende Armutsprävention zu geben. Im Folgenden nehmen wir Bezug auf die porträtierten Personen, ihre Bedürfnisse und Lebenserfahrungen.

In den Fällen, in denen sich die Lebenslage verbessert hat, ist dies auf einen

In den Fällen, in denen sich die Lebenslage verbessert hat, ist dies auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zurückzuführen - etwa bei Lore L. oder wie bei Anne-Marie T. Beide betonen, dass ihnen ihr neuer Job nicht nur wegen des Geldes wichtig ist. Sie sind zugleich sehr froh darüber „endlich“ von Ämtern und Behörden unabhängig zu sein. Und sie freuen sich, ein sinnvolles Betätigungsfeld gefunden zu haben. Diese Einschätzung teilen sie mit Denise L. , die schon ihre befristete Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigungsmaßnahme als sehr wertvoll erlebt hat. Wir plädieren deshalb für die Schaffung und Bereitstellung von ausreichenden Arbeitsplätzen, die sowohl eine unabhängige Existenz langfristig sichern, als auch den Fähigkeiten und Sinnbedürfnissen der Menschen entsprechen. Wenn eine solche Beschäftigung realisiert wurde, war dies einerseits den Anstrengungen der Betroffenen zu verdanken. Andererseits wurden diese Anstrengungen immer auch durch die Mechanismen einer förderorientierten Arbeitsmarktpolitik gestützt. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, warum aktive, förderorientierte Arbeitsmarktpolitik zunehmend sanktionsorientierten Maßnahmen Platz macht. Die Betroffenen müssen offensichtlich nicht „aktiviert“ werden. Sie suchen bereits höchst aktiv nach einer angemessenen Arbeit, von der sie leben können. Und dabei brauchen sie öffentliche Unterstützung - weil sie Kinder zu betreuen haben, gesundheitlich eingeschränkt sind oder es ihnen an Qualifikationen bzw. an Mitteln zur Erreichung dieser Qualifikationen fehlt. In der Konsequenz plädieren wir deshalb für den Ausbau einer sozial gestaltenden Arbeitsmarktpolitik, d. h. mehr Kinderbetreuung, mehr bezahlte Qualifizierung, mehr sozial abgesicherte Jobs auf dem „zweiten Arbeitsmarkt“.

In vielen Fällen reicht die Forderung nach förderorientierter Arbeitsmarktpolitik nicht aus. Gerd O. und

In vielen Fällen reicht die Forderung nach förderorientierter Arbeitsmarktpolitik nicht aus. Gerd O. und Christa S. haben ein Alter erreicht, in dem Lohnarbeit keine Perspektive mehr ist. Gerd O. , mit 72 wohnungslos und ohne Krankenversicherung – dies sollte in unserer Gesellschaft eigentlich nicht vorkommen – braucht unmittelbare Unterstützung, eine Wohnung zu finden und erneut Mitglied einer Krankenkasse zu werden. Da er nicht der einzige Betroffene ist, plädieren wir für die Einrichtung eines „Frühwarnsystems“ zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. Weiterhin halten wir den Ausbau von Einrichtungen und Netzwerken, die beim Eintritt von Wohnungslosigkeit wirkungsvolle Hilfe leisten, für dringend geboten. Christa S. hat dagegen eine Wohnung und eine Krankenversicherung. Und sie erhält die „Grundsicherung für Ältere“. Aber reicht die zum (Über-)Leben für eine 70 Jahre alte Frau mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen? Mehrbedarf entsteht für Medikamente, spezielle Diäten; die Gehbehinderung zwingt sie, viele Wege per Taxi zurücklegen. Verwandte, die den Transport übernehmen könnten, sind nicht vorhanden. Diesem Mehrbedarf wird die pauschalierte Grundsicherung nicht gerecht. Wir plädieren deshalb für eine bedarfsorientierte Anhebung der Grundsicherung und die Etablierung von kommunalen Netzwerken, die soziale Integration älterer Menschen mit geringem Einkommen verbessern (z. B. durch einen kostenfreien Einkaufs-, Begleit- und Transportservice, die Förderung von sozialen Treffpunkten).

Bleiben die Erfahrungen von Franz K. und Denise L. , die ebenfalls alle Möglichkeiten

Bleiben die Erfahrungen von Franz K. und Denise L. , die ebenfalls alle Möglichkeiten nutzen, um der Ämterabhängigkeit zu entkommen. Denise bewirbt sich stetig, Franz hat es in verschiedenen Branchen versucht, zuletzt eine Ich-AG gegründet. Doch die bot auch keine wirkliche Perspektive, weil die angebotenen Dienstleistungen nicht ausreichend nachgefragt wurden. Die befristete Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma ist jetzt allenfalls ein Hoffnungsschimmer. Für Franz, Denise und viele andere Menschen mit geringen formalen Qualifikationen wird es in Zukunft noch schwerer werden, eine Arbeit zu finden, die eine angemessene, gesellschaftliche Teilhabe sichert. Der Arbeitsmarkt verengt sich weiter, förderorientierte Arbeitsmarktpolitik wird gleichzeitig eher abgebaut. Angesichts dieser düsteren Zukunftsperspektiven plädieren wir dafür, die Grundsicherung für Menschen mit geringen Chancen am Arbeitsmarkt endlich so auszugestalten, dass die Betroffenen hiervon zumindest problemlos leben können, statt in Armut abzurutschen und/oder fortlaufend mit Sanktionsdrohungen drangsaliert zu werden.

Die Ausstellung Armutsverläufe ist Teil des Projektes Armut grenzt aus. Sie ist zusammen mit

Die Ausstellung Armutsverläufe ist Teil des Projektes Armut grenzt aus. Sie ist zusammen mit den Betroffenen erarbeitet und erstellt worden. Ihnen muss besonderer Dank zukommen - in unserer Gesellschaft braucht es Mut, sich als arm zu bezeichnen. Wir wollen auch an Holger W. erinnern - er war der Erste, der seinerzeit Interesse an diesem Projekt signalisierte und dessen Realisation wichtig fand.

Ein Projektder

Ein Projektder

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