Arbeitsrecht im Betrieb Dr jur Joachim Ingendahl 4
Arbeitsrecht im Betrieb Dr. jur. Joachim Ingendahl 4. Vorlesung Sommersemester 2015 Stand 31. 03. 2015 1
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Abkürzungen Allgemein • • • • • • • AG AGB AN a. o. Arb. G AV BA BAG BG BMAS BR event. ff G Gf gg. grds. i. d. R. IG LAG MA MTV o. s. Std. TV UVV VO 2 Arbeitgeber Allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeitnehmer außerordentlich/-e Arbeitsgericht Arbeitsvertrag Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Berufsgenossenschaft Bundesministerium Arbeit und Soziales Betriebsrat eventuell fortfolgende Gesetz Geschäftsführer gegen grundsätzlich in der Regel Industriegewerkschaft Landesarbeitsgericht Mitarbeiter Manteltarifvertrag oder siehe Stunde Tarifvertrag Unfallverhütungsvorschriften (BG) Verordnung
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Abkürzung Gesetz • • • • • • • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge Arbeitsschutzgesetz Arbeitssicherheitsgesetz Arbeitszeitgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Berufsbildungsgesetz Bundesdatenschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bundesurlaubsgesetz Entgeltfortzahlungsgesetz Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz Handelsgesetzbuch Insolvenzordnung Jugendschutzgesetz Kündigungsschutzgesetz Mutterschutzgesetz Nachweisgesetz Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Tarifvertragsgesetz Teilzeit- und Befristungsgesetz 3 AGG AEnt. G Arb. Med. VV Arb. Sch. G Ar. Si. G Arb. ZG BGB BBi. G BDSG BEEG Betr. VG BUrl. G Entg. FG Gew. O GG Gmb. HG HGB Ins. O JSch. G KSch. G Mu. Sch. G Nachw. G SGB SGG TVG Tz. Bf. G
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Student Arbeitnehmer Anwesenheit keine Pflicht Arbeitszeit gegen Entgelt Pflichten Lernen für Beruf Arbeit nach Weisung Vertrag je Vorlesung Arbeitsvertrag Freiheit von Gesetze Wissenschaft Tarifvertrag -Gewerkschaft & Lehre Rechtsprechung - BAG Lehrender Arbeitgeber Juristisches Denken Direktionsrecht Nebenpflicht Vorlesung Fürsorgepflicht - umfassend - Fragen beantworten - geschlossen - frei reden & Rhetorik Zum Schluss Klausur Zeugnis 4
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Arbeits- & Organisationspsychologe Ihr beruflicher Einsatz erfolgt in Personalabteilung-en. Aus organisatorischen und Kostengründen müssen Personalverantwortliche das arbeitsrecht-liche Tagesgeschäft überwiegend ohne fachan-waltliche Begleitung bewältigen. Nur wenn Sie die beteiligen Akteure, ihre Aufgaben & Rechte, die wesentlichen Rechtsvorschriften und einschlägige Rechtsprechung kennen & anwenden, können Sie den sozialen Frieden schonen, indem Sie 1. kompetent reagieren sowie 2. rechtssichere Entscheidungen treffen, die Ihre Mitarbeiter nachvollziehen und ggf. einer Überprüfung durch die Arbeitsgerichte standhalten. 5
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Vor-& Nachbereitung Vorlesung • Power – Point auf Kanzlei-Homepage: – Datei gesamt & am Vorabend Kapitel aktuell – Vorlesungsmitschrift auf Facebook „Arbeitsrecht Online“ – für Vorbereitung (empfohlen) & Nacharbeit (erforderlich) • Arbeitsmittel: – Wichtige Arbeitsgesetze, 21. Auflage 2014/2015 mit • Hinweisreitern, nur auf Gesetze, beschriftet • ausschließlich handschriftlichen Anmerkungen im Buch zugelassenes Hilfsmittel in Abschlussklausur – Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage 2014, in Bibliothek • Arbeitsgemeinschaften: – 3 – 5 Teilnehmer – 2 – 3 Stunden, einmal wöchentlich 6
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Beteiligte im Arbeitsrecht 1. Arbeitsvertrag: 1. 2. Arbeitgeber Arbeitnehmer Direktionsrecht Existenzielle Abhängigkeit Sozialversicherungen, Behörden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 3. 4. Bundesanstalt für Arbeit + Arbeitsämter Krankenkassen & Pflegekassen Deutsche Rentenversicherung mit Prüfdienst Berufsgenossenschaft: Arbeitsunfälle und -sicherheit Finanzämter Abführung Lohnsteuer Zoll Bekämpfung Schwarzarbeit Gesetzgeber: Arbeitsrechtliche Gesetze Gewerkschaften: Arbeitsbedingungen, insbes. Löhne durch Tarifverträge Betriebsrat: Mitbestimmung AN zum Wohl des Betriebs Arbeitsgericht: Anwendung GG, Gesetze, TV 5. 6. 7
Arbeitsrecht im Betrieb 0 Vorlesung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Thema Gewaltenteilung gem. Grundgesetz & im Arbeitsrecht BGB Allg. T, Verträge, juristische Pers. , absolute Rechte Dienst- und Arbeitsverträge im Zivil- & Sozialvers. R Sozialversicherungen & Sozialgesetzbücher SGB Allgemeiner Kündigungsschutz & -klage Gewerkschaften & Tarifverträge, AN-Überlassung Betriebsrat: Beteiligungsrechte, Betriebsvereinbarung Direktionsrecht Arbeitgeber & Arbeitsgesetze Arbeitsverträge: Gestaltungen und ihre Grenzen Recruting & Diskriminierungsverbote des AGG Arbeitsschutz & -sicherheit Kranke Mitarbeiter & Gesundheitsförderung Wiederholung & Vertiefung: Kündigungsschutz Wu. V: Rechtsträger & Rechte 1. Probeklausur Wu. V: Rechtsmittel & -wege 2. Probeklausur 8
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Gewaltenteilung gem. Grundgesetz & Im Arbeitsrecht 9
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Bundes- Republik Deutschland • Republik: Staatsform = Keine Monarchie • Bundesstaat: 16 Länder, NRW, Bayern, HH usw. Demokratie: Die Staatsgewalt (kratie = Herrschaft) geht vom Volke (= Demos-) aus • Wahlen: Direkt & unmittelbar, Mehrheitsprinzip, jede Stimme zählt grds. gleich • Urteile: „Im Namen des Volkes“ Verfassung: Grundgesetz • Verfassungsgeber: Das Volk • Erlass: Verfassungsgebende Versammlung 10
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Organe des Bundes: • Bundestag Wird vom Volk gewählt • Bundeskanzler vom Bundestag gewählt • Bundesregierung Bundeskanzler ernennt die Minister = Kabinett • Bundesrat Vertretung der Bundes-Länder • Bundespräsident Von Bundesversammlung gewählt Gesetzgebungsverfahren: • Bundesregierung • Bundestag bringt Gesetzesvorlagen ein beschließt mit Abstimmungsmehrheit der Regierungsparteien • Bundesrat muss teilweise zustimmen • Bundespräsident unterzeichnet, eigenes Prüfungsrecht 11
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Gewaltenteilung im Grundgesetz • Art. 70 ff Gesetzgebung Legislative Bundestag, -rat, -präsident - Länderparlamente - Art. 80 Rechtsverordnung • Art. 83 ff Verwaltung Exekutive - Bundesministerien - Länderverwaltungen = Öffentliches Recht • Art. 92 ff Gerichte Judikative - Gerichtsbarkeiten - Rechtszüge http: //www. bundestag. de/dokumente/rechtsgrundlagen/grundgesetz/index. html 12 -
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Zusammenwirken der Gewalten • Gesetze: Rahmen und Strukturen des Zusammenlebens in der Gesellschaft – Verbindlich für alle – Nicht systematisch, sondern Spiegel des politischen Willens in seiner historischen Entwicklung – Durchsetzung durch Verwaltung & Gerichte • Verwaltung: Gesetzesvollzug – Wahrnehmung der Aufgaben, z. B. Steuern einnehmen – Repressiv: Verteidigung gegen Verstöße • Gerichte: – Auf Klage: Anwendung der Gesetze, auch Aufsicht – Bundesverfassungsgericht: Kein „rechtsfreier Raum“ Sonderstatus als Hüter der Verfassung 13
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Öffentliches Recht • Strafrecht Strafgesetzbuch • Rechtsverhältnisse staatlicher Stellen zum untergeordneten Bürger – Öffentliches Recht – Sozialrecht – Steuerrecht Arbeitsschutzrecht Arb. ZG, ASi. G Sozialgesetzbücher u. a. Abgabenordnung, ESt. G u. a. Privatrecht • Rechtsverhältnisse zwischen Bürgerliches Gesetzbuch • Sonderprivatrecht: – Gesellschaftsrecht – Handelsrecht – Arbeitsrecht 14 Handelsgesetzbuch der Arbeitsverhältnisse
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Verwaltungen des • Bundes – Bundesministerien, z. B. für Arbeit und Soziales – Bundeseigene Verwaltung, z. B. Zoll • Landes: Polizei, Finanzämter, Regierungspräsidium • Kommunale: Städte, Kreise & Gemeinden Verwaltungsaufbau: • Historisch gewachsen über alle drei Ebenen • Grds. auf kommunaler Ebene, z. B. Gewerbeämter und - aufsicht • Land NRW: Rechtsaufsicht 15
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtsstaat • Rechtliches Gehör für Gegners vor – Verwaltungsakt / Bescheid – gerichtlicher Entscheidung Rechtsweggarantie – Art. 19 IV GG: • Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gegen öffentliche Gewalt • Unabhängig von finanziellen Mitteln: Prozesskostenhilfe • Verbot überlanger Verfahrensdauern • Eilrechtsschutz • Grunds. aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Verwaltungsakt 16
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtsschutz in Gerichtsbarkeiten Zivilgerichte: • • Klagen unter Privaten Amtsgerichte incl. Familien-, Insolvenzgerichte Landgerichte incl. Kammern für Handelssachen Oberlandesgerichte Bundesgerichtshof auch Strafgerichtsbarkeit • Arbeitsgerichte aus Arbeitsverhältnissen Weitere Gerichtsbarkeiten: • • 17 Verwaltungsgericht mit Ober-, Bundes. Sozialgericht mit Landes-, Bundes. Finanzgericht und Bundesfinanzhof Bundesverfassungsgericht und Verfassungsgerichtshöfe der Länder: Stehen über Gesetzgeber
Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtszüge Revision Berufung Zivilgerichtsbarkeit Amtsgericht Einschl. Familiengericht Handelsregister Insolvenzgericht Landgericht Strafkammern Arbeitsgerichte Landgericht Strafkammern Schöffengericht Oberlandes. G BGH Landesarbeits. G BAG Sozialgericht Landes. Soz. G Finanzgericht Verwaltungsgericht Oberverwaltungs 18 nein BSoz. G BFH BVerw. G
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Arbeitsrecht • Sonderrecht der unselbständigen = abhängig beschäftigten Arbeitnehmer • Arbeitsgesetze: Einseitig zwingend bei Beschäf- tigung von Arbeitnehmern = Arbeitnehmerschutz • Arbeitsgerichte: – Selbständiger Zweig der Zivilgerichtsbarkeit – Zuständig für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen • Sozialversicherungen: Zwangs- Mitgliedschaft knüpft an bestehendes Arbeitsverhältnis: – Gesamt- Sozialversicherungs– Beiträge zu Renten-, Arbeitslosen-, Kranken-& Pflegeversicherung – Streitigkeiten vor Sozialgerichte 19
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Staatsgewalten im Arbeitsrecht • Gesetzgeber übt Zurückhaltung, Ausfüllung durch Kollektivarbeitsrecht: – Tarifverträge, Tarifvertragsgesetz: • Vereinbarung Gewerkschaft – Arbeitgeber, § 2 • Allgemeinverbindlichkeit, §§ 4 Abs. 5, 7 AEnt. G: Für alle Arbeitnehmer der Branche – Betriebsvereinbarungen, Betriebs. VG • zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber • Gerichte: Bundesarbeitsgericht füllt Gesetzeslücken • Verwaltung: - Arbeitssicherheit - Sozialversicherungen SGB 20
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Ausstrahlung Grundrechte auf Arbeitsverhältnis: Verpflichtung AG • Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4: • Kopftuch am Arbeitsplatz: Einstellung, Kündigung? • Mahlzeiten ohne Schweinefleisch in Kantine • Meinungsfreiheit, Art. 5: • Sachliche Kritik an Arbeitgeber zulässig • Familie, Art. 6: - „Zölibatsklausel“ in AV unwirksam • Kein Fragerecht nach Familienplanung • Keine Pflicht zur Mitteilung einer Schwangerschaft • Berufsfreiheit, Art. 12: • Berufswahl und Ausübung • Verwertung des Wissens nach Arbeitsvertragsende 21
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Grundgesetz: Schutz Bürger Arbeitgeber Grundrechte: vor Staat Ausstrahlung auf • Art. 2 Freie Entfaltung, Schutz der körperlichen Integrität: - Weder Eingriff noch Untersuchung • • - Verbot: Verdeckt Mithören & Beweisverwertung Art. 3 Gleichheit, insbes. Männer + Frauen Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung & AGG Art. 4 Glaubens- u. Gewissensfreiheit Art. 5 Freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit Art. 9 Vereinigungsfreiheit: Abs. 3 Gewerkschaften und Streikrecht Art. 12 Berufsfreiheit, freie Arbeitsplatzwahl Art. 14 Eigentum Art. 19 Gesetzesvorbehalt: Einschränkung von Grund rechten nur durch ein Gesetz 22
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Arbeitnehmerdatenschutz: • Recht des Arbeitnehmers auf „informationelle Selbstbestimmung“aus • Schutz allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 II 3 GG • § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz • Personalakten: Arbeitgeber – hat beschränktes Recht, Informationen über AN zu erheben, verarbeiten und zu nutzen: Nur soweit • rechtmäßig erworben • zur Begründung, Durchführung o. Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich, § 32 BDSG. – muss sorgfältig verwahren & vertraulich behandeln, – darf keine Detailinformationen zur Gesundheit des AN erheben; was AG mit Einwilligung erfährt, darf kein regulärer Teil der Personalakte sein, sondern muss besonders gesichert werden. 23
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Grundrechte und Arbeitsrecht: • Art. 3 GG: Gleichheitsgrundsatz • Abs. 1: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Abs. 3: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. • Ungleichbehandlung nur aus sachlichem Grund • Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung, z. B. equal pay • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Diskriminierungsverbot, § 1 AGG • § 75 Betr. VG: Behandlung der Mitarbeiter 24
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Streik im öffentlichen Dienst • Gewerkschaft Verdi: • • Angestellte & Arbeiter, nicht Beamte Verwaltungen von Bund, Ländern, Städten & Gemeinden • Streikrecht, Art. 9 Abs. 3 GG: • Zur Regelung von Arbeitsentgelten, insbes. Lohnstrukturen und sonstigen Arbeitsbedingungen • in Tarifverträgen, hier „Tarifvertrag für den öffentlicher Dienst - TVöD“ 25
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Koalitionsvertrag „Große Koalition“ Gesetzgebung Arbeitsrecht bis 2017 • Allg. gesetzlicher Mindestlohn zum 01. 2015: 8, 50 €/Std. • Allgemeinverbindlich- Erklärung nach Tarifvertragsgesetz: Besonderes öffentlichen Interesseses genügt. Tarifgebundene AG müssen nicht mehr mindestens 50 % aller AN beschäftigen. • Arbeitnehmerüberlassung: „Überlassung von AN vorübergehend“ im AÜG wird auf eine Höchstdauer von 18 Monaten konkretisiert. Abweichungen nur in Tarifverträgen. • Scheinselbständigkeit, Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen: Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von AN verhindern. Die Kontroll- + Prüftätigkeit bei Schwarzarbeit konzentrieren + effektiver. • Teilzeitrecht: AN, die sich z. B. wegen Kindererziehung o. Pflege von Angehörigen zu einer Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, können zur früheren Arbeitszeit zurückkehren. 26
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Arbeitsgesetzgebung aktuell • Mindestlohngesetz Mi. Lo. G: 01. 2015 8, 50 €/Std. – Anwendungsbereich: Alle Arbeitsverhältnisse – Ausnahmen: Ausbildung, Praktikanten, Jugendliche – Pflicht: Aufzeichnung der Arbeitszeiten, § 17 • Allgemeinverbindlicherklärung, § 5 TVG: Tarifgebundene AG müssen nicht mehr mindestens 50 % aller AN beschäftigen, besonderes öffentliches Interesse genügt. • Tarifeinheitsgesetz, Entwurf BMAS 04. 11. 2014: – Große Koalition mit DGB gegen Streikmacht der Spartengewerkschaften (aktuell insbes. Lokführer, Flugkapitäne) • Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen, Gesetzentwurf Bundesrat: Umgehung des Arbeitsrechts durch Scheinverträge zulasten von AN verhindern. 27
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Europäische Gemeinschaft „EU“ • Grundgesetz: • • Staatsziel, Art. 23: Vereinigtes Europa Hoheitsrechte , Art. 24: Auf zwischenstaatliche Einrichtungen • Europäisches Parlament: • • Wahl durch alle EU- Bürger Rechtsetzungen durch: – – Rechtsverordnungen: Unmittelbare Bindung Richtlinien: Auftrag an nationale Gesetzgeber zur Umsetzung • Europäische Kommission: – Executive – wie Regierung – Alleiniges Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren • Europäischer Gerichtshof Eu. GH, Luxemburg: Anrufung nur durch nationale Obergerichte • Arbeitnehmer- Freizügigkeit: Jeder Unionsbürger kann in jedem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung aufnehmen und ausüben: Willkommens- und Integrationskultur 28
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Arbeitsrecht Europäische Union • Arbeitnehmerfreizügigkeit: Mobilität • Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot: – EU Länder, Männer/Frauen, Alter, Behinderung u. a – Unmittelbar & mittelbar • Mindest- Arbeitsbedingungen: – Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, z. B. 20 Tage Urlaub – Befristete Beschäftigungsverträge – Entsendung von Arbeitnehmern • Sicherheit & Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: Verbesserungen Arbeitsunfälle + Berufskrankheiten 29
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Arbeitsrecht Europäische Union • EU-Politik darauf ausgerichtet – hohe Beschäftigungsraten und starken Sozialschutz zu erreichen, – die Lebens- + Arbeitsbedingungen zu verbessern, – den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten • Ziele: – Sozialen Fortschritt zu fördern und – Lebens- + Beschäftigungsbedingungen zu verbessern 30
Arbeitsrecht im Betrieb 1 S Europäischer Gerichtshof Luxemburg • Zuständig: Für Auslegung nationalen Rechts nach übergeordnetem Europäischen Recht • Vorabentscheidungsersuchen: Hat ein Gericht Zweifel hinsichtlich Auslegung oder Gültigkeit einer nationalen Rechtsnorm, kann es den Eu. GH anrufen. • Zu Urlaubsansprüchen gegen BAG : – 20. 01. 2009: Bei langfristiger Erkrankung verfällt Urlaub nicht am Jahresende (Schultz – Hoff) – 12. 06. 2015: Urlaubsansprüche sind auch nach dem Tod des AN – an die Erben – abzugelten 31 BAG 12. 03. 2013 - 9 AZR 532/11
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Rechtsbeziehungen Privater • Bürgerliches Gesetzbuch BGB • Handelsgesetzbuch HBG 32
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Rechtsbeziehungen Privater • Subjekte: Inhaber von Rechten – Natürliche Personen – Personengesellschaften: Gb. R, OHG, KG – Juristische Personen: Gmb. H, Aktiengesellschaft • Objekte: Gegenstand von Rechten – Absolute Rechte: Abwehransprüche gegen jedermann • Körper & Gesundheit, Eigentum, Besitz, Urheberrechte – Relative Rechte: Ansprüche (nur) gegen Vertragspartner • Verträge: Begründen Ansprüche – Vertragsfreiheit: Abschluss- und Gestaltungsfreiheit – Durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Vertragstypen mit standardisierten Regelungen 33
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Träger von Rechten, Arbeitgeber • Natürliche Person – Rechtsfähigkeit mit Geburt – eingetragener Kaufmann e. K. • Juristische Personen durch § 1 BGB § 2 HGB Vertretung – Eingetragener Verein, § 21 BGB Vorstand – Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gmb. H + Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Geschäftsführer – Aktiengesellschaft Aktien. G Vorstand – Stiftungen, Genossenschaft Vorstand Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Handelsregister • Gewerkschaften: Rechtsfähigkeit aus Art. 9 II GG Ohne Eintragung in ein staatliches Register 34
Arbeitsrecht im Betrieb 2 G Personengesellschaften Vertretung durch • Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB • Gemeinsamer Zweck: beliebig alle Gesellschafter zusammen • Handelsgesellschaften: • Offene Handelsgesellschaft OHG § 105 HGB Gemeinsamer Zweck: Betrieb eines Handelsgewerbes jeden Gesellschafter allein • Kommanditgesellschaft KG § 161 HGB den Komplementär • Sonderform: Gmb. H & Co KG den Geschäftsführer 35 der Gmb. H
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Absolute Rechte = Geschützt gegen jeden 1. Besitz, § 854 BGB = Tatsächliche Gewalt über eine Sache 2. Eigentum = Umfassende Herrschaft § 929 Übertragung durch Einigung + Übergabe § 985 Herausgabeanspruch gegen den Besitzer, z. B. Arbeitsmittel + Geschäftsunterlagen nach Ende des Arbeitsverhältnisses § 1004 Unterlassungsanspruch gegen Störer • z. B. Streikaufruf des Betriebsrats über Intranet 3. Leben und Gesundheit, § 823 BGB 36
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Immaterielle absolute Rechte: • Urheberrechte: Jedes Werk der Kunst – Bücher, Film, Fotografie, Musik, Baukunst, usw. – Grds. auch im „world wide web“ Durch Eintragung beim Deutschen Patentamt • Patent: Patent. G & Arbeitnehmererfindungs. G – Neu & Erfindungshöhe: Beträchtlicher Fortschritt – Nutzungsrecht durch Lizenzvertrag • Gebrauchsmuster. G – Geringere Anforderungen an Fortschritt • Marke: Marken. G Wort- oder Bildmarke • Eingetragenes Design. G 37
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Relative Rechte: Ansprüche A B § 433 BGB Verkäufer Kaufpreis Gegenstand 38
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vertragstypen des BGB § 433 Kaufvertrag § 491 Darlehen § 516 Schenkung § 535 Miete, Pacht, Leihe Gegenstand gegen Kaufpreis Rückgabe vertretbarer Sachen Arbeitgeberdarlehen Verfügung unentgeltlich Rückgabe derselben Sache § 576 Werkmietwohnungen § 611 Dienstvertrag Dienste gegen Vergütung Grundform des Arbeitsvertrages § 631 § 662 § 765 § 779 39 Werkvertrag Werk= Erfolg gegen Werklohn Auftrag, Geschäftsbesorgung Bürgschaft Einstehen für fremde Schuld Vergleich Ungewissheit + gegenseitiges Entgegenkommen
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vertragsschluss durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen : § 145 Angebot muss unter Anwesenden sofort angenommen werden § 147 Annahme: Akzeptieren ohne Änderung Auslegung: 1. Willenserklärungen, § 133: Nach Empfängerhorizont 2. Verträge, § 157 : - Wortlaut nach Treu und Glauben - mit Rücksicht auf die Verkehrssitte Abstraktionsprinzip: Zu unterscheiden sind 1. schuldrechtlich: Verpflichtungsgeschäft 2. dinglich: Verfügung = Eigentumsübertragung 40
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Willenserklärungen Wirksamkeit § 104 Geschäftsfähigkeit - ab 18 Jahre - außer dauernder Geschäftsunfähigkeit § 106 Beschränkte Geschäftsfähigkeit 7– 17 Jahre Vertragsschluss wirksam nur mit § 107 Einwilligung oder § 108 Genehmigung der gesetzlichen Vertreter § 113 Ermächtigung zu Arbeitsverhältnissen: Für Rechtsgeschäfte zur Eingehung /Aufhebung unbeschränkt geschäftsfähig Berufsausbildung: Siehe §§ 10, 11 BBi. G Jugendarbeitsschutzgesetz: Zulässig erst ab 15. Lebensjahr 41
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Willenserklärungen & Verträge: Grundsatz Formfreiheit–Ausnahmen: § 126 Schriftform Urkunde mit Namensunterschrift a) § 623 Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch - Kündigung -Aufhebungsvertrag b)Tarifvertrag, § 1 Abs. 2 TVG c) Betriebsvereinbarung, § 77 Abs. 2 Betr. VG § 127 Vereinbarte Form, in Arbeitsvertrag: a) Schriftform für Änderung b) Doppelte Schriftform: Auch für Verzicht auf Schriftformerfordernis § 128 Notariell: Übertragung Grundstücke, Gmb. H - Anteile § 125 Folge bei Formmangel: Nichtigkeit 42
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Kündigungserklärung, schriftlich: • Auslegung, § 133 BGB: – Nicht notwendig Wort „Kündigung“, jedoch – Wille zur Beendigung des Vertrages erkennbar • Wirksamwerden mit Zugang, § 130 BGB: – Unter Abwesenden: Empfänger hat normalerweise die Möglichkeit zur Kenntnisnahme: • Einwurf in Briefkasten: Vormittags bis 12: 00 Uhr • Übliche Zeit der Postzustellung BAG 22. 3. 2012– 2 AZR 224/11 – Nachweis: • Deutsche Post: • Bote 43 = Zeuge Einschreiben / mit Rückschein Einwurf in Briefkasten oder persönliche Übergabe
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Verträge: Unwirksamkeitsgründe § 134 Gesetzliches Verbot: - Einseitiges Verbotsgesetz, BGH 2013: Handwerkervertrag Verstoß Schwarzarbeiter. G: Vorsätzlicher Verstoß Unternehmer, den Besteller kennt und bewusst zu eigenem Vorteil ausnutzt - Arbeitsrecht: Auch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft: Wucher - Auffälliges Missverhältnis Leistung + Gegenleistung -- grds. doppelter Marktpreis, z. B. Zinsen 12% statt 6 % -- Lohn: weniger als 2/3 des tariflichen / üblichen Entgeltes - Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche - Ausbeutung der Schwächung, indiziert durch Missverhältnis BAG 22. 04. 2009 - 5 AZR 436/08 44
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Anfechtung Willenserklärungen wegen § 119 BGB Irrtums über Abs. 1 Abgabe oder Inhalt der Erklärung: auch Aufhebungsvertrag, Kündigung Abs. 2 Eine verkehrswesentliche Eigenschaft, - Schwerbehinderung: Nein - Approbation des angestellten Arztes: Ja § 121 Anfechtungsfrist: unverzüglich = » Ohne schuldhaftes Zögern“ § 123 BGB Täuschung, falsche Angaben in Bewerbung oder Drohung mit empfindlichen Übel § 124 Anfechtungsfrist: 1 Jahr § 142 Wirkung: Unwirksam von Anfang an 45
Arbeitsrecht im Betrieb 2 (Stell-) Vertretung, §§ 164 ff BGB § 164 Abgabe einer Prüfungsschema: eigenen Willenserklärungen für einen anderen mit Vertretungsmacht Wirkung unmittelbar für den Vertretenen § 174 Kündigung (einseitiges Rechtsgeschäft) durch Vertreter: Unwirksam, wenn - Erklärender keine Vollmacht vorgelegt - Empfänger „unverzüglich“ zurückweist (§ 121 „unverzüglich“ = ohne schuldhaftes Zögern BAG: Binnen 1 Woche) 46
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vollmacht • Rechtsgeschäftlich: – formfrei, zu Beweiszwecken: schriftlich – Duldungs- und Anscheinsvollmacht • Gesetzliche: – – Geschäftsführer für Gmb. H, § 35 Gmb. HG Vorstand für Verein und Aktiengesellschaft Komplementär für KG, §§ 125, 164 HGB Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes • Gesetzlich normiert: – Prokura, § 49 HGB – Anmeldung Handelsregister – Handlungsvollmacht, § 54 HGB – Ladenangestellter, § 56 HGB 47
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Treu und Glauben, § 242 BGB • Neben vertragliche Leistungspflichten bestehen – Mitwirkungs-, Schutz- + Aufklärungspflichten • Unzulässige Rechtsausübung: Kleiner Kündigungsschutz - außerhalb KSch. G – Versprechen, offensichtlich willkürlich oder zur Unzeit – in ehrverletzender Form oder – Diskriminierend, insbes. Verstoß gegen AGG, trotz § 2 IV • Verwirkung von Ansprüchen: – Zeitmoment: erheblicher Zeitablauf, nicht bei kurzer Verjährung – Umstandsmoment = Vertrauenstatbestand aus Verhalten • Rechtsmissbrauch: – bei Sachgrundbefristungen – Arbeitnehmerüberlassung – Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang 48
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Leistungsstörungen: Verzug Leistungsverzug: z. B. AG mit Lohnzahlung § 286 Abs. 1 Fällige Forderung und Mahnung oder Abs. 2 Fälligkeit kalendermäßig bestimmt Folge: Schadensersatz + § 288 Zinsen Annahmeverzug: des Arbeitgebers § 294 Grundsätzlich: Arbeitnehmer muss seine Arbeit so wie geschuldet tatsächlich anbieten § 242 Ein Angebot ist entbehrlich, wenn Arbeitgeber sich auf das fehlende Angebot nicht berufen kann, z. B. nach außerordentlichen Kündigung Folge § 615 BGB: Verzugslohn ohne Arbeit geschuldet 49
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Annahmeverzug des AG: § 294 BGB Tatbestands- Voraussetzungen: - AN - Angebot der Arbeitsleistung: - Wie geschuldet: Am rechten Ort + Zeit - Entbehrlich, wenn AG bereits abgelehnt hat, insbes. a. o. Kündigung, Freistellung - Leistungswille und –fähigkeit des AN - Nichtannahme durch AG § 615 BGB + Betriebsrisiko: – Keine Nachleistungspflicht – Anrechnung • ersparte Aufwendungen • anderweitiger Verdienst, oder böswillig unterlassen 50
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Einreden: • Verjährung, Berücksichtigung nur, wenn vom Schuldner erhoben: §§ 194, 199 I, 214 – Jedes relative Recht, z. B. Lohnanspruch – Frist: Jahresende + 3 Jahre, aus 2013 am 31. 12. 2016 • Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB: – Schuldner hat selbst einen fälligen Anspruch – gegen den Gläubiger – aus dem selben rechtlichen Verhältnis Folge: Schuldner kann eigene Leistung verweigern Arbeitsverweigerung Arbeitnehmer, § 273 BGB: - Nur, wenn Lohnrückstand erheblich, und zwar - sowohl nach Höhe als auch nach Dauer 51
Arbeitsrecht im Betrieb 2 Einwendungen: Untergang von Ansprüchen durch • § 362 • § 387 • § 397 Erfüllung, insbes. Zahlung Aufrechnung mit Gegenforderung Erlass bzw. Verzicht – z. B. Ausgleichsquittung bei Beendigung des Arbeitsvertrages • Insolvenz: Restschuldbefreiung • Arbeitsrecht: Verfallklausel = Anspruch schriftlich geltend machen, Frist – Tarifvertrag: Grds. 2 Monaten – Arbeitsvertrag: BAG mindestens 3 Monate 52
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Geschuldete Arbeitszeit Frau AT ist seit 2006 bei der I Gmb. H als Angestellte beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag erhält AT „für die Erfüllung ihrer Aufgaben“ ein Jahresgehalt von 95. 000 € brutto, sowie eine vom Unternehmens- erfolg abhängige Tantieme. Mit Schreiben vom 10. 11. 2010 forderte I dazu auf, täglich mindestens 7, 6 Stunden zu arbeiten und eine Wochenarbeits-zeit von 38 Stunden einzuhalten. Im Dezember 2010 arbeitet AT insgesamt 19, 8 Stunden, vom 1. bis 19. Januar 2011 insgesamt 5, 51 Stunden. AT meint, das Maß ihrer Arbeitsleistung sei die geschuldete Arbeitsleistung. Sie erhebt Klage zum Arbeitsgericht auf Feststellung, dass sie nicht zur Ableistung von 38 Stunden wöchentlich verpflichtet ist. Mit Erfolg? BAG 15. 05. 2013 – 10 AZR 325/12 53
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Geschuldeten Arbeitszeit bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarung Der Arbeitsvertrag enthält keine nähere Bezif-ferung des Umfangs der Arbeitszeit. Dann ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollen. Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner. Ein Vollzeitarbeit-nehmer muss mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen, dass er in gleichem Umfange wie andere Vollzeitarbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist, §§ 133, 157 BGB. Ergebnis: AT ist verpflichtet, die übliche Arbeitszeit für Vollzeitarbeitskräfte einzuhalten. 54
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Sprachunkundiger Arbeitnehmer P ist Portugiese mit Wohnsitz in Portugal und der deutschen Sprache nicht mächtig. Nach auf portugiesisch geführten Verhandlungen stellte ihn Spedition H 2009 als Kraftfahrer im internationalen Transport für monat-lich 900 € brutto ein. Beide Parteien unterzeichneten einen Arbeitsvertrag in deutscher Sprache, der in § 12 beiderseitige Ausschlussfristen enthält: 3 Monate zur schriftlichen Geltendmachung, bei Ablehnung/ Nichterklärung 2 Monate zur gerichtlichen Geltendmach-ung. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. 3. 2011 macht P mit Schreiben vom 13. 4. 2011 das Entgelt für Dezember 2010 geltend und reicht am 12. 05. 2011 Klage ein. Mit Erfolg? BAG 19. 03. 2014 – 5 AZR 252/12 55
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Sprachunkundiger Arbeitnehmer 1. Vertragsschluss: 1. Arbeitsvertragsangebot & Zugang, § 130 Abs. 1 BGB: Auslegung objektiver Inhalt 2. Annahme durch P, auch wenn nicht verstanden 3. Ausschlussfrist § 12 2. Wirksamkeit: 1. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 Abs. 2 2. Eingeschränkte Kontrolle im Arbeitsrecht, § 10 Abs. 4 S. 2 3. Überraschende Klausel § 305 c Abs. 1: Die Ver einbarung von Verfallklauseln entspricht einer weitverbreiteten Übung im Arbeitsleben, Mindestfrist Arbeitsvertrag BAG: 3 Monate. 56
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Verzicht auf Kündigungsschutzkage A ist seit 2006 bei der Indu. Service Gmb. H (über 10 MA) als Bauwerker beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall am 30. 09. 2009 mit langer Erkrankung und Rehabili -tation kündigt die Gmb. H am 26. 04. 2011 das Arbeits-verhältnis zum 31. 05. 2011. A unterzeichnet unter der Überschrift „Arbeitspapiere“ eine Ausgleichsquittung zum Empfang von Arbeitspapieren und einen Verzicht auf die Kündigungsschutzklage. A erhebt Kündigungsschutzklage und bestreitet, Die Ausgleichsquittung unterzeichnet zu haben. Kann die Klage Erfolg haben? BAG 25. 09. 2014 – 2 AZR 788/13 57
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Verzicht Kündigungsschutzklage 1. Verzicht ist Vertrag 2. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 BGB: 1. Begriff, Abs. 1 BGB: Für mehrere Verwendungen vorformuliert 2. Einbeziehung, Abs. 2: Hinweis und Möglichkeit zur Kenntnisnahme 3. Wirksamkeit: 1. Transparenz, § 305 c Abs. 1: Klausel versteckt = überraschend 2. Keine Gegenleistung, § 10 Abs. 4 S. 2 58
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Anspruch auf Tantieme Herr J war bis zum 30. 6. 2011 für die Firma A als „Leiter IT“ tätig. Sein Arbeitsvertrag vom 22. 1995 enthält folgende Vergütungsvereinbarung: „J erhält ein Bruttogehalt von 120. 000 DM p. a. , das in 12 monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt wird. Bei erfolgreicher Zusammenarbeit im 1. Jahr zahlt A zusätzlich eine Tantieme von 10. 0000 DM. “ A zahlte jährlich eine Tantieme, in den Jahren 2004 bis 2006 erhielt J jeweils 34. 103 €. J verlangt für die Jahre 2007 bis 2010 Tantiemen in gleicher Höhe. Zurecht? BAG 17. 04. 2013 - 10 AZR 251/12 59
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Anspruch auf Tantieme 1. Schriftlicher Arbeitsvertrag: Nur für 1. Jahr 2. Betriebliche Übung: a) Wiederholte, mindestens 3 - malige Zahlung ohne Freiwilligkeitsvorbehalt b) Enthält kollektives Element: Bezieht sich auf eine Vielzahl oder zumindest eine abgrenzbare Grup-pe von Arbeitnehmern, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten. 3. Ergebnis: Zurückverweisung zur Aufklärung: a) Individueller Tantiemeanspruch kann durch eine schlüssige/konkludente Abrede entstanden sein, b) über deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden hat, § 315 BGB 60
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Schwangere Schwangerschaftsvertretung Frau F schließt mit der S – AG einen auf 2 Jahre befristeten Arbeitsvertrag als Schwangerschaftsvertre-tung. Einen Monat nach Beschäftigungsbeginn setzt F die S- AG in Kenntnis, dass sie schwanger ist und in wenigen Monaten ein Kind gebären wird. Die S-AG ficht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. F sei ihre Schwangerschaft bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt gewesen. Sie hätte niemals eine Schwangere als Schwangerschaftsvertretung eingestellt. Besteht das Arbeitsverhältnis fort? LAG Köln 11. 10. 2012 - 6 Sa 641/12 61
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Schwangere Schwangerschaftsvertretung 1. Kündigung: Keine Zustimmung, § 9 I Mu. Schu. G 2. Anfechtung wg. verschwiegener Schwangerschaft 1. Verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 Abs. 2 BGB 2. Täuschung mit Arglist, § 123 BGB: 1. 2. Verschwiegen: Schweigerecht o. Offenbarungspflicht? Frage S-AG: Recht zu lügen? Auf unzulässige Frage! 3. Rechtliche Wertung des Grundgesetz und AGG: Schwangere Frauen würden durch eine Offenbarungs-pflicht wegen ihres Geschlechtes diskriminiert. BAG 06. 02. 2003 - 2 AZR 621/01 62 Ergebnis: Kein Anfechtungsgrund, das Arbeitsverhältnis besteht fort.
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Insich- (Vertrag-)Geschäft G ist Geschäftsführer der Hochbau Gmb. H. Anlässlich der Auslieferung seines neuen Dienstwagens möchte er seinen bisherigen Dienstwagen für seinen Sohn erwerben, der demnächst 18 Jahre alt wird und bereits seinen Führerschein macht. Als er den schrift-lichen Kaufvertrag aufsetzt, kommen ihm Bedenken. Abwandlung: G ist verwitwet. Die Hochbau Gmb. H soll mit seinem Sohn einen Ausbildungsvertrag abschließen. 63
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Arbeitgeber Arbeitnehmer § 164 Vollmacht In fremdem Namen 64 Vertreter
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Insich- (Vertrag-)Geschäft Ein Vertrag kommt zustande, wenn sich Verkäufer und Käufer über Gegenstand und Preis einig werden. Die Gmb. H wird von ihrem Geschäftsführer vertreten. Fraglich ist, ob der Geschäftsführer die Gmb. H auch bei einem Vertrag mit sich selbst vertreten kann. § 181 BGB: Satzung und Eintragung ins Handelsregister • Abwandlung: Fraglich ist, ob der Geschäftsführer bei einem Vertragsschluss gleichzeitig die Gmb. H und seinen Sohn vertreten kann. 65
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S • Unterzeichnung der Kündigung weder – durch offenkundig Bevollmächtigten des Arbeitgebers ( insbes. Geschäftsführer, Leiter Personalabteilung) – noch Vorlage einer Vollmacht • Folgen, § 174 BGB: – Empfänger kann Kündigung binnen einer Woche zurückweisen. – Kündigung ist dann unwirksam, keine Heilung oder Genehmigung • Neue Kündigung erforderlich, • die Arbeitsverhältnis erst später beendet • Solange ist Arbeitgeber in Annahmeverzug 66
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Kündigung durch Vertreter Wer muss einer von ihm unterschriebenen Kündigung seine schriftliche Vollmacht beifügen? 1. Abteilungsleiter Rechnungswesen Gmb. H Ja 2. Filialleiter einer Einzelhandelskette Ja 3. Kaufmännischer Leiter einer Gmb. H & Co KG Nein 4. Personalleiter einer Gmb. H Nein 5. Prokurist? ppa. § 54 HGB Nein 6. Geschäftsführer einer Gmb. H? Organ, bei nein bei mehreren grds. Gesamtvertretung, dann alle 7. Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts? Grds. alle Gesellschafter 67
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: BER – Chefplaner RP 25. 06. 2015 Die Pannenserie um den Berliner Großflughafen reißt nicht ab: Der im Mai gefeuerte Chefplaner der Entrauchungsanlage, der Angestellte Alfredo di Mauro, war gar kein Ingenieur, sondern in seiner Ausbildung nur Bauzeichner. Flughafenchef Hartmut Mehdorn hatte Anfang Mai erklärt, dass die Zusammenarbeit mit dem 52 - Jährigen beendet sei. Er habe die Anlage in ihrer nicht funktionsfähigen Form geplant. Bereits im Früh-jahr 2012 galt die Entrauchungsanlage als Haupt-ursache für den geplatzten Eröffnungstermin des Flughafens. Wie hätten Sie als BER-Personalchef das Arbeitsverhältnis beendet? Hat BER Schadensersatzansprüche? 68
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: BER - Chefplaner 1. Kündigung: Außerordentlich, § 626 BGB 2. Anfechtung des Arbeitsvertrage wg. 1. Arglistiger Täuschung, § 123 BGB 2. Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 II BGB Rückwirkung auf Zeitpunkt Vertragsschluss 3. Schadensersatz bei 1. Kündigung: § 628 Abs. 2 2. Anfechtung: Aus § 823 BGB 69
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Kündigung unter einer Bedingung: • „Wir kündigen fristgerecht zum 28. 02. 2015, falls Sie nicht bereit sind, ab dem 09. 12. 2013 zu folgenden anderen Bedingungen weiterzuarbeiten…. . “ • Kündigung bedingungsfeindlich: Bei Gestaltungsrecht kann Erklärungsempfänger keine Ungewissheit / Schwebezustand zugemutet werden. Die bedingte Kündigung ist unwirksam. • Unbedenklich sind nur: – Rechtsbedingungen, • "außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. “ Die außerordentliche wird unbedingt, die ordentliche Kündigung unter der Bedingung ausgesprochen, dass die außerordentliche unwirksam ist. – Potestativ- Bedingung: Hängt vom Willen des Erklärungsempfängers ab /versetzen ihn nicht in eine ungewisse Lage • z. B. Änderungskündigung bei gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Beding-ungen, die Erklärungsempfänger annehmen kann 70
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Anfechtung: Eigenkündigung + Aufhebungsvertrag 1. § 119 Abs. 1 BGB: a)Erklärungsirrtum: Abgabe einer Erklärung b)Inhaltsirrtum, z. B. bloße Entschuldigung gemeint 2. § 123 BGB: Drohung AG mit fristloser Kündigung ist nur dann ein empfindliches Übel, wenn verständiger Arbeitgeber a. o. Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte BAG 28. 11. 2007 – 6 AZR 1108/06 3. Unbeachtlich: a) Irrtümer über Rechtsfolgen, z. B. steuer- und sozialversicherungsrechtliche, z. B. Sperrzeit b) Unkenntnis Sonderkündigungsschutz 71
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Fall: Verwirkte Schwerbehinderung Die G- AG beschäftigt seit dem 29. 08. 1989 Frau A in ihrem Betriebsteil in K bei der Herstellung von Gummi-dichtungen für die Automobilindustrie. Mit Schreiben vom 29. 11. 2006 kündigte die G-AG A zum 30. 6. 2007, weil sie die Produktion K schließt und teilweise nach Ungarn verlagert. A erhebt 15. 12. 2006 Kündigungsschutzklage. Den Gütetermin 23. 1. 2008 nimmt A selbst wahr. Dann beauftragt sie Rechtsan-walt R, der mit fristgerechtem Schriftsatz vom 2. 03. 2008 geltend macht, A sei gem. Bescheid des Versorgungs-amtes vom 31. 9. 1988 zu 50 % schwerbehindert. Im Kammertermin 4. 5. 2008 macht die G-AG geltend, ihr sei die Schwerbehinderung erst durch den Schriftsatz vom 02. 03. 2008 bekannt geworden. Hat A mit ihrer Klage Erfolg? BAG 09. 06. 2011 – 2 AZR 703/09 und 23. 02. 2010 – 2 AZR 659/08 72
Arbeitsrecht im Betrieb 2 S Lösung: Verwirkte Schwerbehinderung 1. Kündigungsschutz Schwerbehinderte, § 85 SGB IX: Kündigung nur mit Zustimmung der Haupt -fürsorgestelle = Landschaftsverband Rheinland : Lag nicht vor. 2. Berufen auf Schwerbehinderung: Grundsätzlich unabhängig von Kenntnis des Arbeitgebers. 3. Verwirkung: Kennt der AG bei Ausspruch der Kündigung die Schwerbehinderung nicht, muss der Arbeitnehmer ihn binnen 3 Wochen informieren. Danach kann AN sich auf den Kündigungsschutz nicht mehr berufen. 73
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