Arbeitsrecht 1 Woche Kursbersicht Handelsrecht 1 bis 3
Arbeitsrecht 1. Woche
Kursübersicht Handelsrecht (1. bis 3. Woche) Gesellschaftsrecht (4. bis 6. Woche) Familienrecht (7. bis 9. Woche) Erbrecht (10. bis 12. Woche) ZPO (13. bis 15. Woche) Zwangsvollstreckungsrecht (16. bis 18. Woche) Arbeitsrecht (19. bis 21. Woche)
Überblick Examensrelevant in Berlin/Brandenburg: • Begründung des Arbeitsverhältnisses • Inhalt des Arbeitsverhältnisses • Beendigung des Arbeitsverhältnisses • Leistungsstörungen und Haftung im Arbeitsverhältnis
Überblick über das Arbeitsrecht Rechtsquellen des Individualarbeitsrechts: • BGB, insb. §§ 611 – 630 • Allgemeines Gleichbehandlungs. G, AGG • Arbeitsgerichts. G, Arb. GG • Kündigungsschutz. G, KSch. G • Entgeltfortzahlungs. G, EFZG • Mindestlohn. G, Mi. Lo. G • Bundesurlaubs. G, BUrl. G • Teilzeit- und Befristungs. G, Tz. Bf. G • (Betriebsverfassungs. G, Betr. VG) • Mutterschutz. G, Mu. Sch. G • Nachweis. G • uvm.
Überblick über das Arbeitsrecht Wie sieht ein Arbeitsvertrag aus? § 611 a I BGB: „Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. “
Überblick über das Dienstvertragsrecht • §§ 611 – 616 Vergütung, vertragstypische Pflichten und Begründung des Dienstverhältnisses • §§ 617 – 619 Nebenpflichten des Dienstberechtigten • § 619 a Beweislast bei Haftung des AN • §§ 620 – 630 Beendigung des Dienstverhältnisses und ihre Folgen
Fall 1 – Erst krank und dann auch noch frech! K war vom 04. 01. bis zum 30. 04. als Rechtsanwaltsfachangestellte bei Rechtsanwalt B beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein von B individuell für die Arbeitsverhältnisse mit K und einer weiteren einzustellenden Kollegin (C) vorformulierter Anstellungsvertrag zugrunde, welchen K und B – ohne dass einzelne Regelungen zur Disposition gestellt wurden – am 04. 01. unterzeichneten. Im Vertrag war u. a. Folgendes geregelt: „§ 10 Ausschlussfrist: Alle Ansprüche, die sich aus dem Angestelltenverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von 6 Wochen seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von 4 Wochen einzuklagen. § 17 Salvatorische Klausel: Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. “ Vom 09. bis zum 30. 04. war K unverschuldet arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 14. 05. machte sie einen ordnungsgemäß auf Euro 1. 499, 79 berechneten Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber B geltend. Dieser lehnte im Juni eine Zahlung ab. Erst im August erhob K Klage auf Zahlung. Sie macht geltend, sie werde durch die in der Ausschlussklausel gemäß § 10 enthaltene Vorgabe einer Klagefrist unverhältnismäßig benachteiligt. Die Klausel sei unwirksam. Wie ist über die – unterstellt zulässige – Klage der K zu entscheiden?
Lösung Das Gericht wird der Klage der K stattgeben soweit diese zulässig und begründet ist. Die Zulässigkeit ist zu unterstellen, sodass maßgeblich ist, ob K gegen B einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung der Euro 1. 499, 79 hat. Kann sich nur aus § 3 I 1 EFZG ergeben I. Wirksamer Arbeitsvertrag K – B (+), der Vertrag vom 04. 01. verpflichtete K zur Erbringung fremdbestimmter Dienste ggf. unwirksame AGB führen jedenfalls nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, § 306 I BGB/§ 17 des Vertrages II. Arbeitsverhältnis länger als 4 Wochen, § 3 III EFZG (+)
Lösung III. Verhinderung infolge Krankheit (+) IV. Ohne Verschulden? (+) V. Kein Ausschluss Gem. § 10 des Arbeitsvertrages? 1. Klausel erfüllt? a) Binnen 6 Wochen seit Fälligkeit schriftlich geltend gemacht? (+) b) Binnen 4 Wochen nach Ablehnung eingeklagt? (-), Ausschluss nach der Klausel ist
Lösung 2. Klausel wirksam? a) Verstoß gegen § 12 EFZG? (-), Das EFZG regelt nichts zum zeitlichen Bestand der durch das Gesetz eingeräumten Ansprüche b) Verstoß gegen § 134 i. Vm. § 202? (-), zwar umfasst der Wortlaut der Klausel alle Ansprüche. Aber eine Auslegung nach § 157 ergibt, dass dies nicht für vorsätzliche Schädigungen durch B gelten soll [nicht unproblematisch] c) Verstoß gegen §§ 305 ff. aa) Anwendbarkeit auf
Lösung von Verträgen (mind. 3) vorformuliert Vorschriften der § 13, und bb) Vorliegen von AGB (-), nicht für eine Vielzahl cc) Dennoch Geltung bestimmter §§ 305 ff. ? Gem. § 310 III Nr. 2? (+), wenn K = Verbraucherin, selbstständig beruflich tätiger B = Unternehmer, § 14 (1) B = Unternehmer (+), als
Lösung P: Sind Arbeitnehmer Verbraucher? h. M. : (+) dd) Einbeziehungskontrolle Nach §§ 145 ff. (!!!) Keine Bedenken an der Einbeziehung ee) Inhaltskontrolle (1) Abweichen vom dispositiven Gesetzesrecht § 307 III 1 (+), Gesetz sieht keine Ausschlussfristen vor (2) § 309 Nr. 13 b)? (-), zweistufige Frist mit Klageerfordernis ist zwar strengere Form, aber als Besonderheit im Arbeitsrecht (Bedürfnis
Lösung (3) § 309 Nr. 7 a)/b)? BAG: (-), da der Anspruch uneingeschränkt entstehe und nur bei Obliegenheitsverletzung ausgeschlossen wird (a. A. bestens vertretbar, so wohl auch der BGH) (4) § 307 I 2, Transparenzgebot (-), die Klausel ist klar und verständlich gefasst (5) § 307 I, II Nr. 1 Abweichung vom wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts § 202 zeigt, dass Abweichungen zulässig
Lösung 2. Stufe? Nach der Wertung von § 61 b Arb. GG nach h. M. mindestens 3 Monte Mindestfrist nötig Frist zu kurz Klausel ist nach § 307 I 1 unwirksam An ihre Stelle tritt das Gesetzesrecht, § 306 II, das keine Ausschlussfristen vorsieht Der Anspruch ist nicht nach § 10 des Vertrages ausgeschlossen VI. Ergebnis K steht gegen B ein fälliger und durchsetzbarer
Aktuelle Rechtsprechung BAG Urteil v. 07. 02. 2019 - 6 AZR 75/18 = NJW 2019, 1966– stark vereinfacht Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses. Am 15. Februar 2016 suchte der Lebenspartner der Beklagten, welcher tatsächlich deren Geschäfte führt, die Klägerin gegen 17: 00 Uhr in ihrer Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Die Klägerin unterschrieb diesen Vertrag. Danach wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 15. Februar 2016 ohne Zahlung einer Abfindung beendet. Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und Drohung. Hilfsweise werde die Zustimmung zum Vertragsschluss widerrufen. Die Beklagte hält dennoch an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag fest. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewendet. Das Arbeitsverhältnis sei weder durch den Aufhebungsvertrag noch durch eine Befristungsabrede beendet worden, sondern bestehe fort. Der Aufhebungsvertrag sei wirksam angefochten worden. Sie habe am 15. Februar 2016 erkrankt im Bett gelegen, als der Lebenspartner der Beklagten geklingelt habe. Ihr Sohn habe ihn hereingelassen und sie geweckt. Der Lebenspartner der Beklagten habe gesagt, dass er ihre Faulheit nicht unterstützen werde und ihr den Vertrag hingehalten. Sie habe diesen dann unter dem Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“ unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie da gemacht habe. Zudem habe sie die Annahme des angebotenen Aufhebungsvertrags fristgerecht gemäß § 355 Abs. 1 und Abs. 2 i. Vm. § 312 Abs. 1, § 312 b Abs. 1 BGB widerrufen. Der Aufhebungsvertrag sei ein Verbrauchervertrag, der außerhalb der Geschäftsräume der Beklagten geschlossen worden sei. Die Klägerin habe am Vormittag dieses Tages telefonisch um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten. Dementsprechend sei ihr der Vertrag am Nachmittag vorgelegt worden. Eine krankheits- oder medikamentenbedingte Beeinträchtigung der Klägerin sei bei Vertragsschluss nicht zu bemerken gewesen. Eine Äußerung bzgl. angeblicher Faulheit der Klägerin sei nicht gefallen. Ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Jedenfalls habe das Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des 29. Februar 2016 geendet. Wurde das Arbeitsverhältnis wirksam durch Aufhebungsvertrag beendet?
Aktuelle Rechtsprechung I. Wirksamer Arbeitsvertrag (+) II. Wirksamer Aufhebungsvertrag? 1. Einigung (+) 2. Wirksamkeit a) § 105 II (-), Vortrag der Klägerin reicht dafür nicht aus b) § 142 I (-), weder Irrtum, noch Täuschung oder Drohung ersichtlich c) §§ 307 ff. (-), Vertragsbeendigung ist nach § 307 III 1 nicht kontrollfähig, da sie dies bei
Aktuelle Rechtsprechung d) §§ 355 I 1, 312 g I, 312 b I Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen Für Unternehmer handelnde Personen stehen diesem gleich, § 312 b I 2 P: Ist ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag eine entgeltliche Leistung, § 312 I? Wortlaut: Fraglich, ob der AG eine Leistung erbringt und der AN diese durch Verzicht auf spätere Entgeltzahlungen „bezahlt“ Systematik: Untertitel 2 bezieht sich auf alle Verbraucherverträge ABER: Mehrheit der Vorschriften ist
Aktuelle Rechtsprechung Systematik: keine Arbeitsverträge erfasst Europarechtlich hat die umgesetzte Verbraucherrechte. RL Gesetzgeber hatte bei Gesetzesbegründung der §§ 312 I ff. keine Arbeitsverträge im Blick §§ 312 ff. sind vorliegend nicht anwendbar e) Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns, § 241 II BAG: Faires Verhandeln ist vorvertragliche Nebenpflicht des Aufhebungsvertrages nach §§ 311 II Nr. 1, 241 II
Aktuelle Rechtsprechung „§ 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite. So obliegt dem Arbeitgeber beispielsweise zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Nach § 241 Abs. 2 BGB kann der Arbeitgeber aber verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben bzw. entsprechende Aufklärung zu leisten. Erteilt er Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt. Auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich. Eine Verhandlungssituation ist vielmehr erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen. Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam. “ (Text gekürzt)
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