Ambivalenzen und Widersprche der konomisierung und Formalisierung sozialer
Ambivalenzen und Widersprüche der Ökonomisierung und Formalisierung sozialer Arbeit Symposium: Vom Wiedergewinn der sozialen Sprache in Zeiten der Verwaltungszentrierung – Auswirkungen und Absurditäten von Hilfsplanung im lebendigen sozialen System Marburg, 23. März 2011 Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Gliederung 1. Entwicklung 2. Die Ökonomisierung des Sozialen 3. Informelles Handlen und Erfahrungswissen 4. Interaktionsarbeit 5. Perspektiven Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
1. Entwicklung Soziale Arbeit traditionell Bearbeitung individueller und sozialer Problemlagen unproduktiv - soziale Kosten - geringe Anerkennung Arbeit am Rand der Gesellschaft Keine „richtige Arbeit“ Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
1. Entwicklung Soziale Arbeit individuell/beruflich sinnhafte Tätigkeit soziales Engagement Abgrenzung gegenüber der Ökonomie - Abgrenzung gegenüber Arbeit Rentabilität/Gewinnmaximierung Marktwirtschaft/Kapitalismus Universität Augsburg zweckorientiert-instrumentell planmäßig-rationale industrielle Arbeit Prof. Dr. Fritz Böhle
1. Entwicklung Soziale Arbeit am Rande Abgrenzung gegenüber (marktwirtschaftlicher) Ökonomie und (industrieller) Arbeit geringe gesellschaftliche Beachtung und Anerkennung „Freiräume“ für soziales Engagement Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
1. Entwicklung Soziale Arbeit wirtschaftliche Prosperität qualitative gesellschaftliche Entwicklung Verschränkung von Wirtschafts- und Sozialpolitik soziale Investitionen Prävention/Integration Akademisierung/ Professionalisierung/ Institutionalisierung Tendenz zur Aufwertung und Anerkennung Ausbau des Wohlfahrtsstaates Universität Augsburg Ausbau sozialer Arbeit Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Verringerung wirtschaftlichen Wachstums – Verschärfung der Konkurrenz „Das Ende des Kurzen Traums“ (Burkhart Lutz) Wohlfahrtsstaat als Belastung Ursache der Krise Negation gesellschaftlichen Bedarfs und gesellschaftlicher Wirkungen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Reform des Wohlfahrtsstaates Reduzierung der Kosten aktivierende Sozialpolitik Einsparung „fördern und fordern“ Reorganisation und Rationalisierung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Reorganisation und Rationalisierung sozialer Arbeit Anwendung von Prinzipien und Instrumenten industriellen Managements und Rationalisierung Auflösung der Abgrenzung gegenüber marktwirtschaftlicher Ökonomie und industrieller Arbeit Auflösung der Unterscheidung zwischen der Arbeit mit Objekten und der Arbeit mit und an Menschen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente Reorganisation Einschränkung des Leistungsangebots Auflösung und Zusammenlegung sozialer Dienste Einsparung von Personal und sonstigen Kosten Reduzierung von Beschäftigungsmöglichkeiten Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente Reorganisation Reduzierung von Stellen Fachlich/Verwaltung etc. Personaleinsparung unabhängig vom Bedarf Arbeitsverdichtung/steigende Leistungsanforderungen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente Reorganisation Tayloristische Rationalisierung Arbeitszergliederung Standardisierung Technisierung/Automatisierung Technische und organisatorische Festlegung und Kontrolle von Arbeitsabläufen Ersetzung der Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung Bei sozialer Arbeit nur begrenzt anwendbar aber Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Anwendung von Prinzipien tayloristischer Rationalisierung Zeitvorgaben Standardisierung von Abläufen und Leistungen Quantifizierung der Leistung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Unternehmerisches Handeln/Management Mobilisierung von Einnahmen (Spenden, Vermietung etc. ) Reduzierung von Ausgaben/Aufwendungen „jeder soll wie ein Unternehmer denken und handeln“ Betriebswirtschaftliches Denken als Professionalisierung sozialer Arbeit Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Ökonomisches Denken und Handeln „Kostenorientierung“ Eigenverantwortung fachlich Soziales Engagement Kostendeckung und Einsparung als Zielvorgabe Messbar und kontrollierbar Verlust der Sinnhaftigkeit – Gefährdung der Motivation – Gleichgültigkeit gegenüber Bedarf Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Eigenverantwortung Selbstorganisation Koordination Fachliche Aufgaben Festlegung und Beschränkung zeitlicher, sachlicher, personeller Ressourcen Selbstrationalisierung und Überforderung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Eigenverantwortung planmäßig-rationales Handeln regelgeleitetes Handeln explizites Wissen situatives Handeln informelle Praktiken Erfahrungswissen Festlegung von Verfahren „wie“ etwas gemacht wird Formalisierung Missachtung und Behinderung informellen Handelns und Erfahrungswissens Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Eigenverantwortung planmäßig-rationales Handeln regelgeleitetes Handeln explizites Wissen situatives Handeln informelle Praktiken Erfahrungswissen Kontrolle durch Dokumentation Objektivierung Missachtung und Behinderung informellen Handelns und Erfahrungswissens Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Probleme durch Formalisierung und Objektivierung in der Praxis bekannt aber schwer begründbar Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2. Die Ökonomisierung des Sozialen Prinzipien und Instrumente „Neue“ Prinzipien der Rationalisierung qualifizierter, selbstverantwortlicher Arbeit Formalisierung und Objektivierung Grundlage der Ökonomisierung Qualitätssicherung • kostenorientierte Verfahren • Standards • Vergleichbarkeit • Überprüfbarkeit • Kennzahlen/Messbarkeit Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
3. Informelles Handeln und Erfahrungswissen Keine gesellschaftliche Anerkennung Indiz für fehlende Professionalität Keine wissenschaftliche Fundierung Verwissenschaftlichung sozialer Arbeit eher Schwächung statt Stärkung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
3. Informelles Handeln und Erfahrungswissen Verherrschendes Verständnis und Leitbild von Arbeit mit materiellen und immateriellen Objekten Berechenbarkeit und Beherrschbarkeit des Arbeitsgegenstandes planmäßig-rationales Handeln wissenschaftlich fundiertes Wissen und Verfahren Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
3. Informelles Handeln und Erfahrungswissen Soziale Arbeit Keine „richtige“ Arbeit Abgrenzung gegenüber Arbeit oder Anpassung an vorherrschendes Leitbild demgegenüber soziale Arbeit als besondere Arbeit Anforderungen, die bei sonstiger Arbeit nicht auftreten Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Soziale Arbeit mit und an Menschen Gegenstand der Arbeit ist ein Subjekt und kein Objekt „Interaktionsarbeit“ Grundlegender Bestandteil von personenbezogenen Dienstleistungen wie auch sonstiger Dienstleistungen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Merkmale, die bei sonstiger Arbeit nicht in gleicher Weise auftreten Abgleich unterschiedlicher Interessen Umgang mit eigenen Emotionen „Emotionsarbeit“ Einfluss auf Gefühle anderer „Gefühlsarbeit“ Umgang mit Unbestimmtheit subjektivierendes Handeln Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Unbestimmtheit und Offenheit von Anforderungen und Bewältigung grundlegendes Merkmal der Arbeit mit und an Menschen keine Berechenbarkeit und Beherrschbarkeit des „Arbeitsgegenstandes“ auch „einfache“ Aufgaben variieren im konkreten Fall Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Bewältigung von Unbestimmtheit Grenzen planmäßig-rationalen Handelns Grenzen planmäßig-objektivierendem Handelns notwendig: erfahrungsgeleitet-subjektivierendes Handeln Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Erfahrungsgeleitet-subjektivierendes Handeln Vorgehensweise: dialogisch-interaktiv; explorativ-entdeckend; herantasten Sinnliche Wahrnehmung: spürend-empfindende Wahrnehmung; Gespür Denken: Assoziativ-bildhaftes Denken Beziehung: persönlich, Nähe Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4. Interaktionsarbeit Erfahrungsgeleitet subjektivierendes Handel Rationales objektivierendes Handeln Vorgehen planmäßiges Vorgehen Denken Fachwissen und analytisches Denken dialogischexplorativ komplexe Wahrnehmung, Empfindungen Vorgehen Sinnl. Wahrnehmung Arbeitshandeln exaktes, Sinnliche Wahrnehmung objektives assoziativ, bildhaft distanziert, sachlich persönlich Registrieren Beziehung Planbarkeit, Berechenbarkeit Universität Augsburg Denken Beziehung Unwägbarkeiten, Grenzen der Planung Prof. Dr. Fritz Böhle
5. Perspektiven Arbeitsverdichtung/Überforderung durch Personaleinsparung zusätzlich Interaktionsarbeit Diskrepanzen Erfahrungsgeleitetsubjektivierendes Handeln Widersprüche Formalisierung und Objektivierung Behinderung notwendiger Arbeit „doppelte“ Wirklichkeit/offiziell vs. faktisch wichtige Leistungen werden nicht erkannt Gefährdung der Kernaufgaben durch Zunahme sekundärer Aufgaben Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
5. Perspektiven Organisation von Arbeit Soziale Arbeit als besondere Arbeit: Interaktionsarbeit weder Abgrenzung gegenüber Arbeit noch Anpassung an sonstige Arbeit mit und an Menschen ist ein Kernelement personenbezogener Dienstleistungen und Dienstleistungen insgesamt („frontline-work“) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
5. Perspektiven Organisation von Arbeit Handlungsspielräume Anerkennung informellen Handelns Anerkennung von Erfahrungswissen Beschränkung der Formalisierung und Objektivierung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
5. Perspektiven Ökonomisierung sozialer Arbeit Soziale Arbeit als besondere Ökonomie? weder Abgrenzung gegenüber Ökonomie noch Anpassung an marktwirtschaftlich/kapitalistische Ökonomie Soziale Arbeit als Kernelement einer nachhaltigen Ökonomie – soziale Nachhaltigkeit erweiterte Wirtschaftlichkeit Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Literaturhinweise Böhle, Fritz; Glaser, Jürgen (Hrsg. ) (2006): Arbeit in der Interaktion als Arbeitsorganisation und Interaktionsarbeit in der Dienstleistung, VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. Böhle, Fritz (2009): Erfahrungswissen - die 'andere' Seite professionellen Handelns. In: Brigitte Geißler-Piltz; Susanne Gerull (Hrsg. ): Soziale Arbeit im Gesundheitsbereich. Wissen, Expertise und Identität in multiprofessionellen Settings. Opladen & Farmington Hills: Budrich Uni. Press, S. 25 - 34. Böhle, Fritz (2010): Neue Anforderungen an die Arbeitswelt - neue Anforderungen an das Subjekt. In: Heiner Keupp; Helga Dill (Hrsg. ): Erschöpfende Arbeit. Gesundheit und Prävention in der flexiblen Arbeitswelt, transcript, Bielefeld, S. 77 - 95. Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
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