2 Biomechanische Merkmale und Untersuchungsmethoden im Sport 2
2 Biomechanische Merkmale und Untersuchungsmethoden im Sport 2. 1 Kinemetrie 2. 2 Dynamometrie 2. 3 Biomechanische Anthropometrie 1
2. 2 Dynamometrie 2. 2. 2 Kraftmessung mit piezoelektrischen Messgebern 2. 2. 3 Kraftmessung mit Dehnungsmessstreifen 2. 2. 4 Kraftmessung mit kapazitiven Messgebern 2
Kraft • Kraft lässt sich nur durch ihre Wirkung beschreiben (nicht definierbar). Wirkung Kraft: Verformung und Beschleunigung. • Kraft und Beschleunigung sind proportional: F=m·a SI – Einheit der Kraft: [F] = Newton (N) = kg m/s² • Kraft von 1 N erteilt der Masse von 1 kg eine Beschleunigung von 1 m/s² • Gewichtskraft auf 1 kg Masse: FG = 1 kg · 9, 81 m/s² = 9, 81 kg m/s² = 9, 81 N 3
Newtonsche Gesetze (1687) 1. TRÄGHEITSGESETZ: Ohne äußere Krafteinwirkung verharrt ein Körper im Zustand der Ruhe oder geradlinig gleichförmigen Bewegung. 2. DYNAMISCHES GRUNDGESETZ: Die wirkende Kraft und die erzielte Beschleunigung sind einander proportional: F = m a 3. REAKTIONSGESETZ: Jede Kraft F besitzt eine Gegenkraft F´ (Reaktionskraft) von gleichen Betrag, aber entgegengesetzter Richtung: F´= - F. Die Angriffspunkte von F und F´ liegen in zwei verschiedenen Körpern. 4
Beispiele Reaktionsgesetz F´ Bodenreaktionskraft Wirkt beim Zusammenprall eines Zuges mit dem Auto auf das Auto die größere Kraft als auf den Zug? 5
Reibungskraft (Trockenreibung) wirkt parallel zur Kontaktfläche und ist der Bewegung entgegengerichtet: FR = FN FR … Reibungskraft … Reibungskoeffizient FN … Normalkraft, Kraft senkrecht zur Kontaktfläche FN FR v 6
Reibungskraft (Trockenreibung) Trockenreibung ist unabhängig von der Größe der Kontaktfläche (Erklärungsansatz: jede Fläche liegt an drei Punkten auf) Unterscheidung: • Gleitreibung: wirkt bei Bewegung und ist geschwindigkeitsunabhängig • Haftreibung: wirkt ohne Bewegung; ist dem Betrag nach gleich der entgegen gerichteten äußeren Kraft, Haftreibung ist größer als Gleitreibung. • Rollreibung: wirkt wenn Körper auf Unterlage rollt, ist sehr viel kleiner als Gleitreibungskoeffizient • Haftreibungskoeffizient (µ) vom Turnschuh auf Hallenboden: 0, 6 • Gleitreibungskoeffizient Ski: 0, 02; bei nassem Schnee 0, 1 • Rollreibungskoeffizient Kugellager: 0, 0005 -0, 001; 0, 006 -0, 01 Autoreifen auf Asphalt https: //infosys. beckhoff. com/index. php? content=. . /content/1031/tc_motion_designer/2761712779. html&id=519398090470702 7356 7
Luftwiderstand wirkt entgegen der Bewegungsrichtung: Fw = ½ cd A v² Fw … Luftwiderstand … Dichte der Luft 1, 3 kg/m³ cd … Widerstandbeiwert (abhängig von der Form des umströmten Körpers, Rauhigkeit, Position der Körperglieder zueinander) A … Front- oder Stirnfläche (projizierte Fläche entgegen der Strömung) cd A … Widerstandsfläche v … Relativgeschwindigkeit zwischen Körper und Luft 8
Widerstandsbeiwerte cd einiger technischer Körper (Nachtigall, W. , Biomechanik, S. 230) 9
Luftwiderstand Typische Werte: • Frontfläche (A): Abfahrtshocke 0, 30 – 0, 60 m² • Beiwerte (cd): - Stromlinienkörper 0, 05, - PKW ≈ 0, 4, - Rennwagen ≈ 0, 15. . . 1, 2, - Abfahrer 0, 4 – 0, 6 Widerstandsbeiwert wird experimentell und ist geschwindigkeitsabhängig • der Luftwiderstand steigt zum Quadrat der Geschwindigkeit (v²) • die Luftwiderstandsleistung steigt zur dritten Potenz der Geschw. (v³) doppelte Geschw. vierfache Kraft achtfache Leistung 10
Luftwiderstand - Golfball 11
Luftwiderstand - Rennanzüge 90 80 Drag [N] 70 60 50 40 30 20 10 15 20 25 30 Speed (m/s) 35 40 45 12
Druck Verhältnis einer senkrecht auf eine Fläche wirkende Kraft zur Größe dieser Fläche: p = F / A p … Druck F … Kraft A … Kontaktfläche SI – Einheit des Druckes: [p] = N/m² = Pascal (Pa) 1 MPa = 1 N/mm² 1 bar = 105 Pa = 0, 1 MPa = 10 N/cm² 1 mm. Hg (verwendet bei Blutdruck) ~ 133 Pa Druck ist eine skalare Größe, besitzt also keine Richtung. 13
Druck Wie groß ist der Druck in der Brachialarterie bei 120/80 mm. Hg? Lösung: systolisch 120 * 133 = 15 960 Pa = 1, 6 N/cm² diastolisch 80 * 133 = 10 640 Pa = 1, 1 N/cm² Verletzungen/Schädigungen entstehen durch hohe Kräfte auf anatomische Strukturen. Es ist wichtig, wie die Kraft auf die Kontaktfläche verteilt wird. Die Verletzungswahrscheinlichkeit ist mit Zunahme der Kontaktfläche reduziert. 14
Patella-Femuralgelenk Kontaktfläche zw. Patella - Femur (Maquet 1984, 70) • Hebelarmverlängerung bis zu 44% • reibungsarme Übertragung der Muskelkräfte auf Skelett • Vergrößerung der Kontaktfläche auf den Femur Fläche Winkel 2, 8 cm² 30° 3, 4 cm² 60° 3, 8 cm² 90° (Helsne 1983) 15
Wie groß ist der Druck zwischen Patella und Femur für die Kniewinkel 175, 90 und 30° bei gleicher Muskelkraft von 4000 N? Die patello-femorale Kontaktfläche beträgt 1, 2 cm² (180°), 3, 8 cm² (90°) und ? ? ? (30°). FR = √ F 1² + F 2² + 2 F 1 F 2 cos(α)
Impuls eines Körpers ist das Produkt aus seiner Masse und seiner Geschwindigkeit. p = m · v p … Impuls des Körpers m … Masse des Körpers v … Geschwindigkeit des Körpers Der Impuls p ist eine vektorielle Größe. Er hat die Richtung der Geschwindigkeit. SI – Einheit des Impulses: [p] = kg·m/s = Ns 17
Impulserhaltungssatz Der Gesamtimpuls eines abgeschlossenen Systems (es wirken keine äußeren Kräfte) ist konstant. Beachte: Der Gesamtimpuls pges ist die Vektorsumme der Einzelimpulse! Soll der Gesamtimpuls pges konstant bleiben, dann muss die Vektorsumme aller Impulsänderungen null sein: ∑ ∆pi = 0 https: //www. leifiphysik. de/mechanik/erhaltungssaetze-und-stoesse/impuls-und-impulssatz 18
Impulserhaltungssatz Beispiel: Billard (Elastischer Stoß bei gleichen Massen) Vor dem Kontakt (1) nach dem Kontakt (2 ) Betrag der zwei Einzelimpulse ist größer als der Betrag des Gesamtimpulses 19
Kraftstoß, Kraftstoß-Impuls Beziehung Das Produkt F. ∆t heißt Kraftstoß oder Antrieb. Es ist gleich der erzielten Impulsänderung. SI – Einheit des Kraftstoßes: [F. ∆t] = N. s = kg. m/s Bei konstanter Masse kann eine Änderung des Impulses nur durch eine Geschwindigkeitsänderung erfolgen. Dies kann nur durch eine einwirkende Kraft verursacht werden. Wenn ∆p Impulsänderung m Masse des Körpers ∆v Geschwindigkeitsänderung = v 2 – v 1 F beschleunigende konstante Kraft ∆t Dauer der Krafteinwirkung dann gilt entsprechen dem dynamischen Grundgesetz F = m a = m ∆v / ∆t . . . mal ∆t F ∆t = m ∆v = ∆p (=Kraftstoß-Impuls Beziehung) 20
Beispiele Kraftstoß-Impuls Beziehung Beispiel 1: Kugelstoß Kugel m = 6 kg, während ∆t = 0. 3 s wirkt eine mittlere Kraft in Stoßrichtung von F = 240 N, v 0 = 0 m/s Abfluggeschwindigkeit der Kugel? Beispiel 2: Tennisball trifft Schläger mit v 0 = 20 m/s und wird mit v 1 = 30 m/s zurückgeschlagen. m des Tennisballs = 0. 06 kg (60 g), Kontaktzeit am Schläger t = 0. 005 s (5 ms). Welche mittlere Kraft muss während des Stoßes zwischen Schläger und Ball wirken? Beispiel 3: Weitsprung Springer m = 70 kg, zu Beginn des Absprunges am Balken eine horizontale Anlaufgeschwindigkeit von 9. 6 m/s, Kraft/Zeit Kurve gibt einen horizontalen Kraftstoß zu - 84 Ns. Mit welcher horizontalen Geschwindigkeit wird abgesprungen? 21
Beispiel 1: Kugelstoß Kugel m = 7. 25 kg, während ∆t = 0. 25 s wirkt eine mittlere Kraft in Stoßrichtung von F = 435 N, v 1 = 0 m/s Abfluggeschwindigkeit der Kugel? F ∆t = m ( v 2 – v 1) v 2 = |v 1=0; |÷ m F ∆t m 435 N. 0. 25 s 7. 25 kg [Einheit] = = 15. 0 m/s kg m. s s². kg = m/s 22
Beispiel 2: Tennisball trifft Schläger trifft mit v 0 = 20 m/s Schläger und wird mit v 1 = 30 m/s zurückgeschlagen. Masse des Tennisballs m = 0. 06 kg, Kontaktzeit am Schläger t = 0. 005 s (5 ms). Welche mittlere Kraft muss während des Stoßes zwischen Schläger und Ball wirken? • Mittlere Kraft beim Tennis ist ca. doppelt so hoch wie beim Kugelstoßen • Impuls ist beim Kugelstoßen ca. 24 mal so hoch (72/3) F∆t = m. ∆v F = m. ∆v ∆t ∆v = v 1 – v 0 = 30 m/s – (- 20 m/s) = 50 m/s F = 0. 06 kg. 50 m/s 0. 005 s = 600 kg m/s² = 600 N 23
Beispiel 3: Weitsprung Masse des Springers m = 70 kg, zu Beginn des Absprunges am Balken eine horizontale Anlaufgeschwindigkeit von 9. 6 m/s, Kraft/Zeit Kurve gibt einen horizontalen Kraftstoß zu - 84 Ns. Mit welcher horizontalen Geschwindigkeit wird abgesprungen? F∆t = m. ∆v ∆v = F∆t m - 84 Ns 70 kg = - 1. 2 m/s Abfluggeschwindigkeit in horizontaler Richtung: v Abflug = v Anlauf + ∆v = 9. 6 m/s – 1. 2 m/s = 8. 4 m/s 24
Drehmoment Unter Drehmoment versteht man das Produkt aus einer Kraft und dem senkrechten Abstand ihrer Wirkungslinie vom Drehpunkt. M = F · d F d M… Drehmoment F… Kraft d… Normalabstand SI – Einheit: [M] = Newtonmeter (Nm) 25
Translation - Rotation 26
Beispiele Drehmoment 27
Drehmoment: Kniestreckmaschine Gewichtsscheibe am Dreharm
Drehmoment: Kniestreckmaschine • 29
Drehmoment: Kniestreckmaschine Gewicht zieht über Seil und Drehscheibe 30
Drehmoment: Ellbogen FK d. L FL Statischer Fall: Kraftarm = Lastarm FK d. K = FL d. L 31
Drehmoment: Ellbogen Wie groß muss die Kraft der Ellbogenbeuger sein, damit 20 kg bei waagrechtem Unterarm gehalten werden können? Welche Masse könnte direkt an den Muskeln „angehängt“ werden? Geg. : Lastarm = 30 cm, Kraftarm = 3 cm Lösung: FL = m · g = 20 kg · 10 m/s² = 200 N FL · d. L = FK · d. K FK = FL · d. L / d. K FK = 200 N * 30 / 3 = 2000 N https: //www. kenhub. com/de Es könnte eine Masse von 200 kg direkt an den Muskeln „angehängt“ werden.
Drehmoment: Kniebeuge Statischer Fall: Fges = FKörper + FHantel Fges greift am SP von Körper und Hantel an MKnie = Fges * d. Knie FKniestrecker = MKnie / d. Kniestrecker Fges Vereinfachungen: - Gewichtskraft von Unterschenkel und Fuß nicht abgezogen - SP nicht bekannt Gelenksmomente Kniebeuge
Momentarm der Patellarsehne (Nisell 1985) Patellar tendon moment arm [dp] () Knee angle () 34
Drehimpuls Unter dem Drehimpuls eines rotierenden Körpers versteht man das Produkt aus seinem Trägheitsmoment und seiner Winkelgeschwindigkeit. Der Drehimpuls ist eine vektorielle Größe. Er hat die Richtung der Winkelgeschwindigkeit. L = J ω L Drehimpuls des rotierenden Körpers J Massenträgheitsmoment des Körpers ω Winkelgeschwindigkeit des rotierenden Körpers SI – Einheit: [L] = kg m² s-1 = Nms 35
Massenträgheitsmoment Bei einem Körper, der aus n Massenelementen Δmi besteht, gilt für sein Trägheitsmoment J = ∑ r²i Δmi bzw. J = ∫ r² dm SI – Einheit: [J] = kg m² Das Massenträgheitsmoment hängt von der Masse und der Verteilung der Masse bezüglich der jeweiligen Drehachse ab 36
Trägheitsmomente des menschlichen Körpers um die Hauptdrehachsen (Hochmuth 1982) Körperstellung Achse J (kg m²) Tiefenachse 12 – 15 Breitenachse 10. 5 – 13 Breitenachse 4 – 5 Längenachse 1 – 1. 2 2 – 2. 25 37
Drehimpulserhaltungssatz Der Gesamtdrehimpuls (Betrag und Richtung) eines abgeschlos-senen Systems (es wirken keine äußeren Drehmomente) ist konstant. L 1 + L 2 + … + Li = Lges = konstant Beachte: - Der Gesamtdrehimpuls ist die Vektorsumme der einzelnen Drehimpulse 38
Drehimpulserhaltungssatz L = J ω = konstant bei Änderung von J muss sich ω verkehrt proportional zu J ändern: Wird J verdoppelt, sinkt ω auf die Hälfte, wird J auf ein Drittel verringert, verdreifacht sich ω. Durch Änderung des Trägheitsmoments kann der Sportler bei Drehungen seine Drehgeschwindigkeit in gewissen Grenzen bestimmen. Beispiel Saltodrehung um die Breitenachse: Drehgeschwindigkeit kann verdreifacht werden 39
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